2014-02-28
Österreichisches Militärordinariat - Werner, Christian, Militärbischof
Predigt beim Treffen der Pfarradjunkten
Es gilt das gesprochene Wort.
Jak 5, 9-12
Mk 10, 1-12
„Klagt nicht übereinander, Brüder, damit ihr nicht gerichtet werdet“! Mit diesem Satz beginnt die heutige Lesung. Ich muss zugeben, das ist fast immer gar nicht so einfach, wie es klingt. Gerade in einer so großen und recht straff organisierten Institution wie der Österreichischen Bundesheer liegt es sehr nahe, bei jeder Gelegenheit zu jammern und alle möglichen Leute auszurichten: den Kommandanten, den Pfarrer, die unfähigen Kameraden, die ahnungslosen Grundwehrdiener und so weiter. Manchmal hat das durchaus was Beruhigendes: Man kann Dampf ablassen und fühlt sich nicht so hilflos zwischen den Fronten. An den Problemen ändert das Gejammer aber in den meisten Fällen gar nichts, und eine große militärische Tugend ist es eigentlich auch nicht.
Die Alternative des Jakobus ist dagegen viel militärischer: Er plädiert für das Aushalten des Leidens, für Geduld, für Frustrationstoleranz und Durchhaltefähigkeit, wie wir es ausdrücken würden.
Heißt das jetzt Mund halten, alles schlucken, was von oben kommt und nichts gegen Missstände zu unternehmen? Jakobus versteht das offenbar nicht so: Das Vorbild sollen die Propheten sein. Und die Propheten waren alles andere als stille Dulder. Sie haben immer klar Stellung bezogen, wenn sie Ungerechtigkeit und Gewalt gesehen haben: aber nicht wenn es um ihren eigenen Vorteil ging, sondern wenn die Reichen gegen die Schwachen vorgegangen sind: wenn sie ihnen ihren Lohn vorenthalten haben, sie verurteilt oder umgebracht haben. Genau darum geht es auch dem Jakobus selbst in den Zeilen vor dieser Stelle, wenn er etwa sagt: „Die Klagerufe derer, die eure Ernte eingebracht haben, dringen zu den Ohren des Herrn der himmlischen Heere.“ Hier soll der Klage der Schwachen sehr wohl Ausdruck verliehen werden. Aufgabe der Christen ist es nicht, still zu sein, wenn Menschen unter die Räder kommen.
Dieselbe Offenheit unterstreicht Jakobus am Ende der Lesung: Ihr sollt nicht schwören, sagt er. Aber er meint damit nicht: Haltet euch zurück, damit man euch nicht festnageln kann. Sondern umgekehrt: „Euer Ja sei ein Ja, und euer Nein ein Nein“. Das ist die einfache Botschaft, die so leicht zu verstehen ist, die uns aber leider nicht immer so leichtfällt, weil sie eine Festigkeit und Reife verlangt, die uns manchmal abgeht.
Festigkeit und Treue sich selbst, den anderen und Gott gegenüber fordert Jesus auch im heutigen Evangelium ein. Hier geht es um ein Thema, das auch heute noch eines der heißen Eisen ist, mit denen die Kirche und viele Gläubige ringen: die Frage der Ehescheidung, mit der sich u.a. auch die nächste Bischofsynode befassen wird.
Jesus geht es dabei nicht darum, den Menschen viele komplizierte Vorschriften zu machen, die sie kaum verstehen geschweige denn einhalten können. Komplizierte Vorschriften sind heute vielleicht manchmal nötig, um einen so große und komplexe Gebilde wie ein Heer, einen Staat oder eine große internationale Organisation (wie die katholische Kirche) geordnet führen zu können.
Jesus geht es um etwas ganz anderes. Was er will, ist zugleich einfach und radikal. Er lässt sich nicht mit den rechtlichen Fragen provozieren, mit denen die Pharisäer an ihn herantreten. Die Regelung, dass ein Mann seine Frau entlassen kann, indem er ihr einen Scheidungsbrief ausstellt, passt nicht zu dem, was Gott mit der Verbindung von Mann und Frau eigentlich wollte. Sie stellte außerdem damals die entlassene Frau durchaus vor größere soziale oder finanzielle Probleme.
Bei Matthäus haken die Pharisäer dann auch gleich nach: Warum hat Mose diese Regelung dann eingeführt: Jesu Position ist klar: wegen der Hartherzigkeit der Menschen, die zu unbedingter Treue nicht fähig oder bereit sind. Gott aber will mit der Verbindung zwischen Mann und Frau etwas anderes als eine nützliche und beliebig auflösbare Sexual- und Zweckgemeinschaft. Die Ehe kann nur in unbedingter Treue zueinander bestehen, die auch dann nicht aufhört, wenn die Schönheit des Partners nachlässt, wenn er krank wird oder wenn eine neue Verbindung größere Vorteile verspricht.
Denn aus biblischer Sicht ist die Verbindung zwischen Mann und Frau ein Zeichen für die Verbindung zwischen Gott und seinem Volk. Und gerade das ist der ganz einfache Kern der Botschaft Jesu: ein Neubeginn in der alten Beziehung zwischen Gott und den Menschen, die treue Zuwendung Gottes zu den Menschen und die Umkehr der Menschen zu Gott. Dieser Neuanfang zwischen Gott und den Menschen, ihre Zuwendung und Treue, muss auch in den Beziehungen der Menschen untereinander zum Ausdruck kommen. Besonders in der engsten Beziehung, in der zwei Körper „ein Fleisch“ werden.
Die Jünger Jesu haben durchaus einen Sinn für Realismus. In der entsprechenden Stelle im Matthäusevangelium meinen sie trocken, dass es unter diesen Umständen nicht gut ist zu heiraten. So weit sind wir von dieser Meinung der Jünger nicht entfernt. Heute heiraten auch viele Menschen nicht mehr. Und wenn sie heiraten, rechnen sie nicht immer damit, dass die Ehe bis zu ihrem Tod dauern wird. Eine zu feste Bindung macht vielen von uns Angst. Wir leben in einer Zeit, in der wir meinen, unsere Freiheit um jeden Preis bewahren zu müssen.
Jesus ist kein abgehobener Idealist, der den sogenannten „Boden der Realität“ längst verlassen hätte. Er ist sich bewusst, dass das Einfache, was er von den Menschen verlangt, alles andere als leicht ist. Seine Antwort ist: Nicht jeder kann das verstehen. Aber nicht, weil es sich um eine unverständliche Information handelt. Es geht nämlich gar nicht um eine Information, sondern um eine Änderung des Denkens und der Sichtweise. Dieses einfache Denken muss erst wieder langsam erlernt werden in der täglichen Nachfolge Jesu.
Wohl nicht zufällig steht in der Bibel gleich im Anschluss an das heutige Evangelium die berühmte Stelle von den Kindern, die zu Jesus wollen. Die Jünger weisen sie ab, Jesus aber wird deshalb unwillig. Wir würden in Österreich sagen, er wird ziemlich grantig. Er weist seine eigenen Leute zurecht, dass sie die Kinder durchlassen sollen. Er nimmt sie in seine Arme und segnet sie. „Denn Menschen wie ihnen“, so sagt Jesus, „gehört das Reich Gottes“.
Nicht zuletzt an uns, den Seelsorgern und Pfarradjunkten, den Pfarrgemeinderäten und den AKS-Mitgliedern, liegt es, diese Unbefangenheit, Einfachheit und Klarheit des Denkens Jesu auch in die Welt des Militärs zu tragen.