2012-12-14 - Wiener Neustadt
Österreichisches Militärordinariat - Werner, Christian, Militärbischof
Predigt anlässlich des Stiftungsfests der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt
Johannes vom Kreuz/Gedenktag
1 Kor 2, 1-10a
Lk 14, 25-33
Die Schriftlesungen, die wir heute gehört haben, gehören sicher zu den schwierigeren Texten der Bibel.
Vielleicht passt das ganz gut zu diesem Fest: ein Fest einer Akademie, in der vor allem junge Menschen zu Berufsoffizieren, zu Militärakademikern ausgebildet werden. Die Inhalte, die sie hier lernen, und die aktuellen Probleme und Aufgaben, mit denen sie hier konfrontiert sind, sind nicht immer einfach zu verstehen und zu lösen. Und sie sind seit der Zeit, als ich hier in dieser Akademie studiert und später gelehrt habe, sicher nicht leichter geworden.
[Vielleicht passen die Textstellen auch ganz gut zu dem Heiligen, dessen Gedenktag wir heute feiern: Johannes vom Kreuz war auch kein leicht zu verstehender Mensch. Er geht in ein Kloster, studiert Philosophie und Theologie und versucht dann gemeinsam mit der Heiligen Theresa von Avila seine Ordensgemeinschaft zu reformieren, macht sich dadurch viele Feinde. Wir wir wissen, bringen Reformen, egal ob sie sinnvoll sind oder nicht, das durchaus mit sich. Johannes von Kreuz wird auch Schriftsteller, schreibt über seine geistlichen Erfahrungen. Auch diese Schriften sind nicht einfach zu verstehen. Seine Gedanken werden jedenfalls von seinen Oberen nicht verstanden, dementsprechend schlecht wird er behandelt. Aber seine Bücher lesen die Menschen heute noch, über 400 Jahre später.]
Die Schwierigkeiten mit den heutigen Texten beginnen mit der Lesung. Das liegt aber nicht daran, dass Paulus besonders kompliziert oder besonders unklar formuliert. Im Gegenteil, Paulus hat die Gabe, sich sehr einfach und klar auszudrücken, er muss ein sehr guter Redner und Prediger gewesen sind, den wir heute allesamt beneiden würden. Aber Paulus spielt das alles herunter. Seine klare Aussage ist: Verkündigung nicht durch kluge Worte, sondern verbunden mit dem Erweis von Geist und Kraft. Bewusster Verzicht auf „glänzende Reden oder gelehrte Weisheit“. Paulus hatte sich entschlossen, „nichts zu wissen außer Jesus Christus“, und zwar – und das ist jetzt der entscheidende Punkt – als den Gekreuzigten! Also zunächst nicht als den glorreichen Sieger über Sünde und Tod, nicht als Wunder wirkenden charismatischen Lehrer, sondern als den, der am Kreuz getötet wurde.
Das klingt nun wirklich nicht sehr überzeugend. Warum sollte man sich einer Gruppe anschließen, die einen Menschen als Gott verehren, der in seinem Leben offenbar auf allen Linien gescheitert ist? Der als Verbrecher verurteilt und hingerichtet wurde?
Paulus versucht da nichts zu beschönigen. Das Kreuz ist das Zentrum seiner Verkündigung, nicht ein Detail am Rande, das man am besten nach Möglichkeit verschweigt. Und jetzt kommt das eigentlich Schwierige an dieser ganzen Sache. Paulus ist überzeugt, und in dieser Überzeugung besteht eigentlich sein ganzer Lebensinhalt, dass im Kreuz, in der größtmöglichen Schwäche und Ausgeliefertheit eines Menschen, in seiner Vernichtung, die eigentliche Kraft liegt. Eine Kraft, die Menschen überwältigen kann. Eine Kraft, die sogar, wie Paulus sagt, die Kraft Gottes ist. Und hier liegt das große Geheimnis dieser Stelle, der Grund, warum sie so schwer zu verstehen ist.
Diese Kraft des Kreuzes hat mit menschlicher Weisheit nichts zu tun, sie muss sogar als größte Dummheit, Torheit erscheinen, wie Paulus an anderer Stelle sagt. Und das meinen ja heute auch viele Menschen, dass man ein bisschen dumm sein muss, um ein braver Christ zu sein. Die Gescheiten, die alles durchschauen, wissen ja längst, dass da nichts dran sein kann, dass das alles auf Märchen aufbaut. Aber das ist nicht Paulus‘ letztes Wort. Natürlich verkünden die Christen Weisheit, nicht Torheit, eine verborgene Weisheit, die Weisheit Gottes.
Das alles ist vielleicht gerade für Soldaten besonders schwer zu verstehen. Im Militär kommt es darauf an, stark zu sein und Stärke zu zeigen. Show of force (Stärke zeigen) ist ein ganz wichtiger Faktor gerade bei friedenssichernden Aufgaben. Und ein schwacher Kommandant verunsichert die seine Soldaten, sowohl im normalen Dienstbetrieb wie auch im Einsatz, und riskiert im Ernstfall vielleicht sogar ihr Leben.
Im Bereich des Militärs spricht man nur selten von Weisheit, dafür aber oft von menschlicher Klugheit und Kompetenz. Darauf zu verzichten kann man sich militärisch einfach nicht leisten.
Ist deshalb das Christentum wirklich etwas für Soldaten? Ist es vor allem nichts für gute, kompetente Soldaten?
Wenn wir in das heutige Evangelium schauen, sieht die Sache schon ganz anders aus: Hier ist überraschenderweise von militärischen Überlegungen die Rede, in einem von zwei Beispielen, und zwar durchaus positiv, als wäre das ein Bereich, mit dem der Evangelist und seine Leser sehr vertraut sehr. Ein König muss selbstverständlich zuerst eine militärische Planung durchführen (lassen) und abschätzen, ob seine Mittel für eine kriegerische Auseinandersetzung reichen. Auch das andere Beispiel vom Bau eines Turmes erzählt von Überlegungen, die das tägliche Brot eines jeden Militärlogistikers sind. Welche Ressourcen habe ich zur Verfügung, welches Ziel kann ich damit erreichen?
Es schaut so aus, als würde Jesus Paulus glatt widersprechen: Auch im Glauben ist menschliche Klugheit wichtig. Jesus schärft den Menschen, die ihm nachfolgen wollen, ein: Überlegt euch das gut, ob ihr das auch wirklich schafft! Stellt genaue Überlegungen an, wie ein Feldherr vor einer Schlacht oder ein Baumeister vor Baubeginn. Seid nüchtern und nicht schwärmerisch! Glaube soll auf einer überlegten Entscheidung aufbauen und nicht auf einem irrationalen Impuls.
Im Grunde geht es Jesus und Paulus aber um dieselbe Radikalität: die Radikalität, die mit dem Glauben und der Nachfolge Jesu verbunden ist. Zu dieser Radikalität kann man nicht durch perfekte Rhetorik überredet oder durch logische Argumentation überzeugt werden – deshalb verzichtet Paulus bewusst darauf. Deshalb betont er auch, dass er „in Schwäche und Furcht“ kam, „zitternd und bebend“. Zu dieser nachhaltigen Radikalität reicht der erste Schwung der Begeisterung nicht, die Jesus mit seinem charismatischen Auftreten bei den Menschen ausgelöst hat. Zu dieser Radikalität muss man sich im Blick auf Jesus und im Hören auf ihn bewusst entscheiden. Dann aber erschließt sich die Kraft und die Festigkeit, die in diesem Glauben liegt. Dann erschließt sich die Kraft und Weisheit Gottes.
An einer Stelle in der heutigen Lesung verrät Paulus, was er unter „Weisheit dieser Welt“ versteht und was der eigentliche Gegenpol der Weisheit Gottes ist: Es ist nicht die Weisheit von Menschen, die zwar keine Christen sind, aber ernsthaft nach der Wahrheit suchen. Weisheit der Welt steht auch nicht für die Begrenztheit und Endlichkeit des menschlichen Wissens, die vor Gottes Allwissenheit immer ziemlich schlecht dasteht. Sondern Weisheit der Welt meint die Logik der „Machthaber dieser Welt“, von denen keiner, wie Paulus sagt, die Weisheit Gottes erkannt hat, denn sonst „hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt“. Natürlich weiß auch Paulus, dass nicht alle Machthaber dieser Welt Jesus gekreuzigt haben. Paulus hat hier die im Auge, die für jene Logik, jene Spirale von Gewalt und Gegengewalt stehen, die den Tod Jesu verschuldet hat und die Jesus durch seinen Tod und seine Auferstehung in die Kirche, in die Gemeinschaft aller, die ihm nachfolgen hinein aufgebrochen hat.
Das Jahr des Glaubens möge uns ein Anlass sein, über die Entschiedenheit unseres Glaubens nachzudenken….