Predigt zum Weltfriedenstag 2013

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Quelle: Militärordinariat

2013-04-03
Österreichisches Militärordinariat
- Werner, Christian, Militärbischof
Predigt zum Weltfriedenstag 2013

Messe vom 1. Sonntag der Osterzeit, Jahr C
1. Lesung: Apg 5, 12-16
2. Lesung: Offb 1, 9-11a.12-13.17-19
Evangelium: Joh 20, 19-31

„Friede sei mit euch!“ – Mit diesen Worten begrüßt der Auferstandene die Jünger acht Tage nach seinem Tod und seiner Auferstehung. In vielen Kulturen begrüßen Menschen einander, indem sie einander Frieden wünschen. Sie kennen vielleicht den jüdischen Gruß „Schalom“ oder das arabische „as-salamu alaikum“. Jesus das sagt das hier aber nicht einfach so dahin, wie wir heute „Hallo“ sagen. Er wiederholt diese Worte gleich nochmals und gibt ihnen damit Gewicht. Jesu Zusage geht über einen gewöhnlichen Gruß weit hinaus. Er sagt seinen Jüngern den Frieden zu, der er selbst ist. Er bringt den Frieden mit seiner Sendung in die Welt in Verbindung, indem er fortfährt: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ Damit ist auch angesprochen, dass der Friede Geschenk und Zusage Gottes ist, aber auch Auftrag an die Menschen, in seiner Nachfolge diesem Frieden entsprechend zu leben.

Das betont auch Benedikt XVI. in seiner (letzten) Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages am 1. Januar 2013. Ausgangspunkt seiner Botschaft ist die Seligpreisung Jesu „Selig, die Frieden stiften, denn sie werden Söhne Gottes genannt werden“ (Mt 5,9). Die Seligpreisungen Jesu sind als Verheißungen eines Lebens in Fülle zu verstehen, das mit der Nachfolge Christi verbunden ist, nicht als Garantie einer Belohnung für bestimmte Handlungen, zu denen man sonst kaum zu motivieren wäre. „Die Seligpreisung Jesu besagt“ – so Benedikt –, „daß der Friede messianisches Geschenk und zugleich Ergebnis menschlichen Bemühens ist.“ (2) Seine Verwirklichung im menschlichen Bemühen hängt wiederum mit der Einsicht zusammen „dass in Gott alle eine einzige Menschheitsfamilie bilden“ (3).

Wie eine Friedensordnung auf der Basis von Gottebenbildlichkeit und Menschenwürde aussehen könnte, hat die Enzyklika „Pacem in Terris“ aufzeigt. „Pacem in Terris“ bedeutet „Friede auf Erden“. Es handelt sich bei diesem Titel um ein Zitat aus dem Lukasevangelium: eine dritte Schriftstelle also, in der an ganz entscheidender Stelle von Frieden gesprochen wird: hier bei der Geburt Jesu.
Heuer feiern wir das 50jährige Jubiläum dieser Enzyklika von Papst Johannes XXIII., die auch nach einem halben Jahrhundert nichts von ihrer visionären Kraft eingebüßt hat, auch wenn wir von einer vollen Verwirklichung ihrer Ideen noch weit entfernt sind.

In der heurigen Weltfriedensbotschaft stellt Papst Benedikt XVI. die religiöse Grundlage aller tiefen und ernsthaften Friedensbemühungen heraus (3).
Auch das Wort Friede in den semitischen Sprachen bezeichnet ursprünglich nicht das Gegenteil von Krieg, sondern den Frieden mit Gott, zwischen Gott und den Menschen. Erst in der Folge auch den Frieden im zwischenmenschlichen Bereich.

Wenn Jesus seinen Jüngern Frieden zusagt, dann meint er damit nicht, dass ab sofort alle Kriege zu Ende sind und ein ewiger Friede bereits verwirklicht ist. Leider sind auch nach 2000 Jahren zwischenmenschliche Gewalt und bewaffnete Konflikte zwischen Staaten oder Gruppen noch nicht aus der Welt geschafft. Es gibt aber Ansätze einer zunehmenden Orientierung an friedlicher Konfliktlösung, wie etwa die Gründung und Weiterentwicklung der Vereinten Nationen. Sie bedarf freilich tiefgreifender Reformen, um ihre Aufgaben im Dienst des Friedens auf der Welt effizienter erfüllen zu können. Oder auch das Friedensprojekt Europa, EG und später EU, in deren Rahmen ehemals verfeindete Nationen zu einem friedlichen Miteinander zusammengefunden haben. All das ist alles andere als selbstverständlich, wenn man bedenkt, dass im 20. Jahrhundert zwei Weltkriege ihren Ausgang von Konflikten innerhalb Europas genommen haben.

Ein biblisches Buch, in dem die eskalierende Gewalt in der Welt nach Tod und Auferstehung Christi schonungslos in Zentrum der Aufmerksamkeit rückt und aus theologischer Sicht gedeutet wird, ist die Offenbarung des Johannes. Krieg und gewaltsame Unterdrückung sind allgegenwärtig. Auch die zweite Lesung spricht klar von einer Situation der Bedrängnis. Aber die Gewalt hat entgegen allem Anschein nicht das letzte Wort: Einer, „der wie ein Mensch aussah“ und zwischen sieben goldenen Leuchtern steht, der tot war und jetzt in Ewigkeit lebt, spricht das entscheidende Wort „Fürchte dich nicht!“ Das ist gleichsam das Motto des ganzen Buches: Fürchtet euch nicht! Es wird eine Zukunft geben für euch, und diese Zukunft wird Gott selbst sein.

Das ist auch der tiefste Sinn des Grußes Jesu: Friede sei mit euch! Und, wie er dann weiters sagt: Empfangt den Heiligen Geist! Auch die Jünger Jesu waren unmittelbar nach seinem Tod von Furcht erfüllt, sie haben aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen und trauten sich nicht raus. Erst die Begegnung mit dem Auferstandenen, der sich auch von verschlossenen Türen nicht aufhalten lässt, reißt die Jünger aus ihrer Furcht. Und hier beginnt die Geschichte des Christentums, die immer ein Hinausgehen bedeutet, einen Aufbruch in die Fremde wie bei Abraham, eine Öffnung für die Welt und in die Welt.

Wie schwer es war und ist, sich auf die Weg der Nachfolge Jesu aus der Depression des Todes, aus Niedergeschlagenheit und Angst heraus einzulassen, zeigt die Geschichte von Thomas, der zuerst nicht glauben konnte und wollte, dass der Tod nicht das letzte Wort hat.

Angst ist nicht der beste Ratgeber für den, der den Frieden will. Eine Innen- und Sicherheitspolitik, die vor allem auf Angst aufgebaut ist, auf Angst vor dem Fremden, vor unseren Nachbarn diesseits und jenseits staatlicher Grenzen, wird nicht imstande sein, einen dauerhaften Frieden aufzubauen. Angst ist auch nicht die beste Voraussetzung für die Erfüllung unserer militärischen Einsätze. Zu viel Angst lähmt, sie macht Zusammenarbeit, unvoreingenommene Begegnungen und die Förderung von Versöhnung und Neuanfang zwischen Konfliktparteien fast unmöglich. Darin besteht aber in vielen Einsätzen die entscheidende Herausforderung. Eine zeitgemäße Kultur der Tapferkeit umfasst viel mehr als nicht wegzulaufen in der Schlacht, wenn es unangenehm und gefährlich wird. Sie ist die Voraussetzung für einen nachhaltigen Einsatz für Frieden im militärischen, politischen und gesellschaftlichen Bereich, und sie ist von der christlichen Furchtlosigkeit, die Jesus seinen Jüngern zumutet, gar nicht so weit entfernt.

Vielleicht ereignet sich dann in dem ein oder anderen langjährigen, verfahrenen Konflikt ein nicht mehr erwartetes Wunder der Heilung und Einigung, ähnlich den Ereignissen, von denen die Lesung aus der Apostelgeschichte berichtet: „Alle kamen einmütig in der Halle Salomos zusammen“, und auch „aus den Nachbarstädten Jerusalems strömten die Leute zusammen und brachten Kranke und von unreinen Geistern Geplagte mit. Und alle wurden geheilt.“