Widerstand gegen die Staatsgewalt als ethisches Problem

Digitale Bibliothek: Friedensethische Positionen der Kirchen

Informationen zum Dokument

Widerstand gegen die Staatsgewalt als ethisches Problem. Vortrag auf einer Veranstaltung der Österreichischen Landesverteidigungsakademie "Der Ruf des Gewissens - Widerstand gegen den Nationalsozialismus zwischen 'Walküre' und 'Radetzky'"

Entstanden: 2004-11-30 - Wien
Institution: Österreichisches Militärordinariat
Autor: Werner, Christian
Funktion des Autors: Militärbischof
Religion: Katholische Kirche
Staat:
Österreich
Quelle (dt.): http://www.bmlv.gv.at/download_archiv/pdfs/referat_werner.pdf
Eingabe/Aktualiserung am: 2004-12-03
Dokumenttyp: Ansprache
Das Dokument ist vollständig aufgenommen worden.
Zugeordnete Themen: Grundpositionen zu Frieden und Militär / Zweiter Weltkrieg / Ethik des Soldaten / Gewissen

Kurze Einführung:
Die Frage eines Widerstandsrechts gegen die ungerechte Ausübung der Staatsgewalt ist in mehrfacher Hinsicht ein sehr schwieriges ethisches Problem: Es geht hier erstens um Entscheidungen mit schwerwiegenden Folgen, dh. die mit hoher Verantwortung verbunden sind. Zweitens bleibt hier zumeist die Entscheidung letztlich dem Gewissen des einzelnen überlassen, weil Recht und ethische Prinzipienreflexion der Komplexität der jeweiligen Situation kaum gerecht werden können. Gleichwohl kann auf die ethische Reflexion nicht verzichtet werden, die "Grundverhältnisse und Grundbeziehungen menschlicher Existenz" aufzeigt. Denn es ist ein Unterschied, ob man von einer völligen Unterordnung des Menschen unter den Staat oder von den individuellen und sozialen Menschenrechten ausgeht. Der heutige inflationäre Gebrauch des Begriffs "Widerstand" im Sinn einer grundsätzlichen Opposition innerhalb eines demokratischen System auch gegen sinnvolle Gesetze und Regelungen, entweder weil man meint, dass man anonymen Apparaten gegenübersteht und die eigenen Mitbestimmungsmöglichkeiten zu gering sind; dass alle (auch die Machthaber) nur aus Eigennutz handeln oder dass ein manipulierendes Gewaltsystem unsere globalisierte Welt beherrscht, hat zu einer Aushöhlung seines Sinngehalts geführt. Widerstandsrecht im Sinn einer politischen Ethik geht dagegen von unverlierbarer Würde und Rechten des Menschen aus und erkennt damit an, dass der Staat nicht der letzte Ursprung allen Rechts ist und selbst dem Gemeinwohl seiner Bürger verpflichtet ist. Widersprechen staatliche Forderungen dieser sittlichen Ausrichtung des Staates, besteht sogar die Pflicht, sie nicht zu befolgen. Unter bestimmten, strengen Bedingungen erkennt die Soziallehre der Kirche auch ein Recht zum bewaffneten Widerstand an. Besonders problematisch ist die Frage des Widerstands im militärischen Bereich, wo die Soldaten ja in besonderer Weise zu Gehorsam und Treue gegenüber dem Staat verpflichtet sind. Besonders verhängnisvoll wäre es, wenn die moralische Dimension des Soldatendienst (persönliche Gewissensentscheidung, aber auch die ethische Qualität von Treue und Gehorsam) zugunsten des Drucks der Anpassung an immer komplexer werdende Funktionszusammenhänge zusehends verschwinden würde. Gerade im Blick auf die Ereignisse im Nationalsozialismus bekennt sich der Militärbischof zur besonderen Bedeutung der ethischen Bildung der Soldaten.

Deutscher Text