Predigt bei der Internationalen Soldatenwallfahrt zum Jubiläumsjahr 2000

Digitale Bibliothek: Friedensethische Positionen der Kirchen

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Quelle: Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, 1. 12. 2000, Nr. 48

2000-11-16 - Rom
Österreichisches Militärordinariat
- Werner, Christian, Militärbischof
Predigt bei der Internationalen Soldatenwallfahrt zum Jubiläumsjahr 2000. »Mit Christus Gerechtigkeit und Frieden bewahren«

[Der österreichische Militärbischof Christian Werner zelebrierte am 16. November für die Teilnehmer an der Internationalen Soldatenwallfahrt in der Kirche »S. Maria dell'Anima« einen Gottesdienst, an dem außer der Soldatenabordnung aus Österreich auch zahlreiche, in Rom ansässige Österreicher teilnahmen. Im folgenden die Predigt:]

Im Oktober besuchte ich mit einigen Heeresangehörigen die Passionsspiele in Kirchschlag/NÖ. Ein ergreifendes Ereignis. Bei einer Szene dachte ich spontan an das Thema für unsere Soldatenwallfahrt nach Rom: »Mit Christus Gerechtigkeit und Frieden bewahren.«

Es war die Kreuzigungsszene; einer der beiden mitgekreuzigten Verbrecher verhöhnte Jesus, und der andere sagte: »Nicht einmal du fürchtest Gott? ...Uns geschieht recht, wir erhalten den Lohn für unsere Taten; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Jesus, denke an mich, wenn du in dein Reich kommst. Jesus antwortete ihm: »Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein« (Lk 23,40-43).

Da hing er nun, der Friedensfürst, der Gerechte, zwischen Himmel und Erde, entblößt und verhöhnt; ausgespannt am Kreuz: der senkrechte Balken zeigt zum Himmel, der waagrechte Balken, den er auch getragen hat, ein Symbol für die Erde, für die Welt, für die Menschen mit all ihren Sünden.

Diese Szene erinnerte mich auch an einen Satz von Simone Weil: »Der Held trägt eine Rüstung, der Heilige geht nackt!« In diese Spannung des christlichen Glaubens und der christlichen Geschichte sind wir hineingenommen. Beides ist für unsere Welt nötigwendig (Not-wendend).

Es ist wichtig, daß es Menschen gibt, die ohne Rüstung das Kommende vor Augen haben – lebendige Zeichen für den Frieden Christi sind. Und es ist wichtig, daß einige Menschen Waffen tragen, damit viele andere nicht zur Waffe greifen müssen, unbewaffnet gehen dürfen, im Einsatz für den Frieden, für das Heil der Menschen.

Es ist gut zu wissen, daß es auch Heilige gegeben hat, die eine Rüstung getragen haben, um dem Guten zum Recht zu verhelfen.

Welche Probleme würde es zum Beispiel heute in Bosnien oder Kosovo noch geben, wenn nicht auch Exekutivbeamte und Soldaten für Schutz, Sicherheit und Ordnung sorgten, unter täglichem Einsatz ihres Lebens. Ermöglicht doch erst geschaffene Sicherheit ein Klima des Gesprächs und den Einsatz anderer humanitärer Einrichtungen.

»Mit Christus Gerechtigkeit und Frieden bewahren«, aus tiefem Herzen bat der Heilige Vater um dieses Motto für uns waffentragende Friedensdiener. Galt doch sein ganzes Leben, für den Weltfrieden einzutreten, und dieses Anliegen soll besonders im Heiligen Jahr getragen und vertieft werden. Ist doch dieses Heilige Jahr vor allem ein Jahr der Versöhnung und Vergebung.

Wenn von Gerechtigkeit des Christen gesprochen wird, dann hat dies mit dem christlichen Menschenbild zu tun. Gerechtigkeit benennt die Gleichheit und Brüderlichkeit unter allen Menschen. Wenn Gott sich dem Menschen in Jesus Christus gleich macht, dann ermöglicht er die Gleichheit aller Menschen untereinander.

Diese Geschwisterlichkeit als Kinder Gottes ist verbündet mit Barmherzigkeit; sie sucht die heilende Nähe zum Armen und Schwachen, schützt die Verfolgten und Vertriebenen und setzt sich für Menschenrechte und Menschenwürde ein. Motivation dazu ist die Ehrfurcht vor Gott, seiner Schöpfung und seinen göttlichen Weisungen.

Vergessen wir nie Gottes Weisung durch den Propheten Jesaja: » Am Ende der Tage wird es geschehen; zum Haus des Herrn strömen alle Völker. Der Herr zeige uns seine Wege, auf seinen Pfaden wollen wir gehen.« Erst dann, und nur »dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen« (Jes 2).

Friede entspringt also als Frucht der Bekehrung zu Gott. Diese Bekehrung schenkt uns den inneren Frieden, welcher Voraussetzung für das Handeln eines christlichen Soldaten ist. Diese Heimkehr zu Gott ermöglicht uns, als Brüder und Schwestern in Frieden zu leben. Friede ist nicht nur eine Idee, auch nicht nur Gebot, erst recht nicht einfach nur Befehl und Appell, sondern Gabe, Geschenk. Wer sich anmaßt, das Paradies machen zu wollen, wird statt des Paradieses die Hölle auf Erden schaffen. »Meinen Frieden gebe ich euch!«, so ruft der Herr uns Menschen zu, in diese Welt hinein, in welcher oft der Mensch dem Menschen zur Bestie wird.

Laßt uns versuchen, diese Spannung – wo immer wir stehen – auszuhalten. Diese Spannung des »Schon und noch-Nicht«; diese Spannung des Schon-erlöst-Seins, aber Nichtvollendetseins. Das ist das Spannende den Glaubens.

Aber über uns ausgespannt ist der Herr, der Geber allen Friedens. Mit ihm wollen wir unsere Berufung als Soldat leben, mit ihm Gerechtigkeit und Frieden bewahren, denn: »Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Bedrängnis oder Not oder Verfolgung, Hunger oder Kälte, Gefahr oder Schwert? Alles überwinden wir durch den, der uns geliebt hat.«

Dieses Vertrauen, diese Hoffnung darf uns jetzt in der heiligen Messe Gott loben und preisen und uns bitten lassen: »Herr, mach mich weiterhin zum Werkzeug deines Friedens.« Amen.