Weihnachtsbotschaft 2016

Digitale Bibliothek: Friedensethische Positionen der Kirchen

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Quelle: https://www.katholisch.at/aktuelles/2016/12/15/friedens-appell-an-internationale-gemeinschaft

2016-12-00
Österreichisches Militärordinariat
- Freistetter, Werner, Militärbischof
Weihnachtsbotschaft 2016

Liebe Brüder und Schwestern!

Es ist immer wieder erstaunlich, wie die biblischen Texte mich zu berühren beginnen, wenn ich in ihnen lese. Sie führen mich nicht fort in ein fremdes und exotisches Land, das mich das Leben und unsere Welt vergessen lässt, wie viele andere schöne und aufregende Bücher. Je mehr und je weiter ich lese, desto mehr sehe ich mich in eine neue Sicht meines Lebens und unserer Wirklichkeit hineingeführt.

Besonders leicht und besonders schwierig ist das in der Zeit um Weihnachten, wenn die Welt dunkler wird und es zugleich gar nicht so einfach ist, sich dem Licht und dem Lärm zu entziehen, die uns eine Sicherheit, eine beschauliche Ruhe und eine Winteridylle vorgaukeln, die es nicht gibt und auch vor 2000 Jahren nicht gegeben hat.

Die Erzählungen von der Geburt Jesu sprechen eine ganz andere Sprache. In ihnen ist viel von Gewalt und Bedrohung die Rede. Jesus wird auf einer beschwerlichen Reise geboren, vom König bedroht, der ein Fremdherrscher ist und wenig von den Menschen, ihren Bedürfnissen und ihrer Sehnsucht versteht, der sich um seine Position und seinen Einfluss sorgt und bereit ist, sie auch durchzusetzen – ein Verhalten, das bis heute weit verbreitet ist und in vielen Ländern auch einer der Gründe für eine Eskalation bewaffneter Gewalt.

Die Familie Jesu muss vor persönlicher Verfolgung fliehen, ein Los, das heute Millionen von Menschen teilen, auch und vor allem in jenem Teil der Welt, in dem die biblische Geschichte sich ereignet hat. Dort findet sie ein gutes Ende. Die Morde hören auf, die Familie kann nach einiger Zeit zurückkehren und in ihrer Heimat wieder Fuß fassen und arbeiten. In Ländern wie Syrien, Irak und Afghanistan, aus denen in den letzten beiden Jahren die meisten Flüchtlinge nach Österreich gekommen sind, sind die Aussichten auf eine baldige Rückkehr und ein sicheres Leben in ihrer Heimat nicht gut. Helfen wir nach unseren Möglichkeiten mit, dass sie aufgenommen werden, lernen und arbeiten können, und stehen wir ihnen bei in der Sorge und Trauer um ihre Angehörigen und Freunde!

Beten wir aber besonders für die, die noch in den Konfliktgebieten in großer Gefahr und Armut leben müssen, weil sie die finanziellen und physischen Mittel für eine Flucht nicht aufbringen können. Mit noch größerer Entschiedenheit und Einmütigkeit, an der es leider nicht nur in der Sorge um die Flüchtlinge in Europa fehlt, muss die internationale Gemeinschaft versuchen, den Konflikt durch geeignete Maßnahmen einzudämmen bzw. zu beenden und die Flüchtlingslager in der Konfliktregion bzw. den unmittelbar angrenzenden Ländern mit ausreichenden Mitteln auszustatten.

Die biblischen Texte, die wir in der Zeit der Vorbereitung auf das Weihnachtsfest lesen, sprechen von einer großen Sehnsucht der Menschen, ohne die niemand verstanden hätte, was in Bethlehem und Jerusalem passiert ist und ohne die es auch kein Weihnachtsfest gäbe. Es ist eine Sehnsucht, die das Streben nach Erfüllung der unmittelbaren Bedürfnisse, nach Nahrung, Sicherheit und Beheimatung, in sich begreift, die aber zugleich weit darüber hinausgeht: einer Sehnsucht nach Heilung, nach Gerechtigkeit und Frieden, nach einem Leben in Fülle, für das die Gaben der Weisen aus dem Morgenland stehen und das Jesus selbst ist.

Diese Sehnsucht ist das, was den Menschen zum Menschen macht, sie ist es, die uns mit Leben und Liebe erfüllt, auch wenn sie oft verschüttet und für uns selber unzugänglich geworden ist. Und weil diese Sehnsucht die gemeinsame Sehnsucht aller Menschen ist, macht sie uns auch zu Geschwistern und drängt uns dazu, an der Eindämmung und Überwindung jener Gewalt zu arbeiten, von der die Welt heute noch voll ist.

Unsere Soldaten, die auch zu Weihnachten in verschiedenen Konfliktgebieten weltweit im Einsatz sind, tragen dazu bei, die Welt friedlicher und gerechter zu machen. Gerade zu Weihnachten, dem Fest der Familie und des Friedens, denke ich mit großer Freude und Dankbarkeit an sie.

„Friede und Gerechtigkeit“ war auch zentrales Thema und Leitspruch meines Vorvorgängers im Bischofsamt Dr. Alfred Kostelecky. Er wurde vor genau 30 Jahren in der Vorweihnachtszeit des Jahres 1986 im Wiener Stephansdom zum ersten Militärbischof des neu errichteten Militärordinariats geweiht, nach der Neuordnung der Militärseelsorge durch Papst Johannes Paul II. durch die Apostolische Konstitution Spirituali militum curae im April desselben Jahres. Mit großer Dankbarkeit blicken wir auf sein Wirken zurück, das die Arbeit der Militärseelsorge bis heute prägt.

Ich wünsche uns allen ein gesegnetes und friedvolles Weihnachtsfest 2016!

+ Dr. Werner Freistetter
Militärbischof für Österreich