Stellungnahme zum Krieg in der Ukraine

Digitale Bibliothek: Friedensethische Positionen der Kirchen

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Quelle: https://www.mildioz.at/index.php/aktuelles/item/1816-stellungnahme-zum-krieg-in-der-ukraine

2022-02-25 - Wien
Österreichisches Militärordinariat
- Freistetter, Werner, Militärbischof
Stellungnahme zum Krieg in der Ukraine

Wir stehen alle unter dem Eindruck der dramatischen und verhängnisvollen Entwicklung in der Ukraine. Die Hoffnungen auf diplomatische Lösungen haben sich durch den Angriff Russlands zerschlagen. Viel menschliches Leid und schwere Zerstörungen werden die Folge sein. Angesichts der Verschlechterung der Situation in der Ukraine hatte Papst Franziskus diesen Mittwoch bei der Generalaudienz große Sorge zum Ausdruck gebracht und zum Gebet für Frieden in der Ukraine aufgerufen.

Die Überzeugung, dass Krieg immer ein Übel und wegen seiner verheerenden Auswirkungen nicht als Mittel der Politik zur Erreichung nationaler Interessen zulässig ist, stellt eine entscheidende Einsicht christlicher Ethik dar. Dies wurde vor allem nach den entsetzlichen Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs in der kirchlichen Verkündigung ganz besonders hervorgehoben. Nach dem Ende des Kalten Krieges war es gelungen, ein vielfältiges Netz vertrauensvoller Kooperation in politischen, militärischen und menschlichen Fragen der Sicherheit in Europa und darüber hinaus zu knüpfen. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat Entscheidendes dazu beigetragen. Diese europäische Friedensordnung steht jetzt vor dem Ende, mit schwerwiegenden Konsequenzen für alle Staaten in Europa und für die internationale Gemeinschaft insgesamt.

Wir wissen noch nicht genau, welches Ausmaß die Kampfhandlungen annehmen werden und welche Gegenmaßnahmen von den europäischen Staaten oder der internationalen Gemeinschaft noch getroffen werden. Eine Frage drängt sich allerdings schon jetzt auf: Wie kann angesichts der absehbaren Zerstörungen und des Leids der Menschen in der Ukraine eine zukünftige europäische Friedensordnung aussehen? Wird es überhaupt möglich sein, eine solche Friedensordnung in Europa, die auf der Anerkennung gemeinsamer politisch-ethischer Grundsätze und menschlicher Werte beruht, neu aufzubauen? Oder steht uns die Zeit eines Neuen Kalten Krieges bevor? Über diese Fragen jetzt schon nachzudenken, auch bevor noch das ganze Ausmaß der sicherlich verheerenden Folgen dieses Krieges sichtbar wird, ist ein dringendes Gebot der Stunde.