Fastenhirtenbrief 1999

Digitale Bibliothek: Friedensethische Positionen der Kirchen

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Quelle: Diözesanblatt des Österreichischen Militärordinariates, Jahrgang 1999, Nummer 1, Wien, 1. April 1999, S. 3-4

1999-02-00
Österreichisches Militärordinariat
- Werner, Christian, Militärbischof
Fastenhirtenbrief 1999

„Wir brechen auf in dreißig Minuten“, so kann ein Befehl eines Kommandanten an seine Soldaten lauten.
„Wir brechen auf in das 3. Jahrtausend“, so lautet der Aufruf des Papstes an alle Gläubigen der Kirche.
Wichtig für den Gläubigen wie auch für den Soldaten ist das Ziel. Das Ziel für uns Christen ist der dreifaltige Gott:
Mit diesem Geheimnis bereiten wir uns seit dem Jahr 1997 auf das Jubeljahr 2000 vor, um als Kinder Gottes, glücklich und von Hoffnung erfüllt, den Beginn des 3. Jahrtausends zu begehen.

In diesem Jahrhundert hat es schon viele Aufbrüche gegeben, sehr erfolgreiche, aber auch Aufbrüche in die falsche Richtung, in Sackgassen: Aufbrüche, die zu Einbrüchen wurden, zu Zusammenbrüchen.
Jetzt gegen Ende des 20. Jahrhunderts wollen wir einen neuen, einen guten Aufbruch wagen: den Aufbruch zu Gott - dem Geber allen Friedens.

Am Anfang eines Aufbruches zu Gott steht immer die Umkehr. „Bekehr dich und glaub an das Evangelium“, so die Worte des Priesters bei der Austeilung des Aschenkreuzes. Der Herr selbst hat schon in seiner ersten Predigt gesagt: Kehrt um und bekehrt euch, das Reich Gottes ist nahe! Das ist der Kern der Predigt Christi: Er ist nah, kehrt um! Erinnern wir uns an das Gleichnis vom verlorenen Sohn: Der fröhliche Aufbruch aus dem langweiligen Vaterhaus in die Fremde war ein Aufbruch in die falsche Richtung. Dann kommt die Umkehr, die Heimkehr zum Vater – ein Aufbruch in die richtige Richtung, zu Gott: das ist immer eine Heimkehr. Ein Freudenfest steht dann am Ende.

Ich möchte in diesem Zusammenhang ein Wort des Papstes ins Gedächtnis rufen: „Der Mensch ist zu einer Lebensfülle berufen, die weit über die Dimensionen seiner irdischen Existenz hinausreicht, da sie an der Teilhabe am Leben Gottes selber besteht“ (Enzyklika „Evangelium Vitae“).

Wir sollen uns freuen am irdischen Leben, aber nie unser Ziel aus den Augen verlieren.
Wie oft kreisen wir nur um uns selbst, gehen in irdischen Beschäftigungen auf, lassen uns treiben. Ich nehme mich da als Bischof keineswegs aus. Wie sehr sind auch wir Bischöfe verfangen und gefangen in unzähligen Kommissionen, Sitzungen und Papieren. Wir Bischöfe sollten in einer Zeit, wo der Glaube so rasant im Schwinden begriffen ist, lieber in das Allerheiligste eintreten, und dann mit immer erneuter Kraft verkürzt dem Volk das Evangelium verkünden, sei es gelegen oder ungelegen, unsere Gläubigen stärken und Orientierung geben.
Dann sollen die Gläubigen mit „christlicher Begeisterung“ – im wahrsten Sinn des Wortes – in der Gesellschaft, an ihren Arbeitsplätzen, in der Politik wirksam sein und auch andere Menschen zur Teilnahme am Leben Christi einladen.

„Der Mensch ist zur Teilnahme am Leben Gottes selbst berufen“, das heißt: wir dürfen nicht nur im irdischen Denken verhaftet bleiben, sondern müssen die Gedanken Gottes denken, wie der Prophet Jesaja sagt: „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, so spricht der Herr, eure Wege sind nicht meine Wege. So weit der Himmel über der Erde erhoben ist, sind meine Gedanken über euren Gedanken“.
Zu diesen Gedanken, zu diesen Wegen Gottes führt unser Aufbruch. Leider sind oft rein irdische Maßstäbe auch in die Kirche eingedrungen. „Wo ist mein Platz in der Kirche?“, so hört man oft. Vor nichts hat Jesus die Seinen mehr gewarnt als vor diesem Sich-selber-einen-Platz-erobern-wollen.
Sehr deutlich und oft hat Jesus seinen Jüngern eingeprägt: Der Platz in der Gemeinschaft mit Christus ist der Platz am Herzen des Herrn! Je näher einer beim Herrn ist, desto höher ist sein Platz.
Ich glaube, Simon von Cyrene, dem unversehens das Kreuz Christi aufgelastet wurde, war näher beim Herrn als der Hohepriester in seinem Palast. Da gelten ganz andere Maßstäbe!

Der Sieg auf Erden, der irdischen Dimension, wird errungen durch Macht oder Mehrheit.
Der Sieg in der Kirche Christi, in seiner Kirche, in seinem Reich wird errungen durch 0pfer und Hingabe bis zum Letzten.
Ist dieser Weg Gottes nicht gerade für uns Soldaten ein Weg, der für unseren Auftrag wegweisend sein kann oder soll?
Ein Weg des tiefen Vertrauens, der von irdischen Sorgen und Traurigkeiten zur Freude und höchster Aktivität führt (siehe „Ermausjünger“) .
Das Wort des Herrn: „Suchet zuerst das Reich Gottes und alles andere wird euch dazugegeben“ oder „Die Freude am Herrn ist unsere Stärke“ (Prophet Nehemia) läßt uns nicht „abheben“. Denn natürlich sind auch die Gegebenheiten des irdischen Lebens wichtig, aber die Quelle und Freude allen Lebens kommt aus einer innigen Beziehung zu Gott.

Mit großer Bewunderung und Freude darf ich alljährlich von Soldatenhand errichtete Kreuze, Kapellen, Besinnungsstätten in ganz Österreich und auf unseren internationalen Einsatzorten segnen und weihen.
Der Soldat ist von Grund auf – bewußt oder unbewußt – ein gläubiger Mensch und will seinen Dienst aus der Kraft des Friedensfürsten gestalten.

Habt Freude an eurem Christsein, habt Freude an der Kirche trotz all ihrer Schwächen, denn nur sie hat das "Brot ewigen Lebens". So sollen wir Gott aufs Neue entdecken, durch Gebet, Fasten und Buße: Wie befreiend kann für jeden eine gute Beichte sein!

Am Anfang steht die Erneuerung meines Herzens.
Jeder darf sich dem Herrn schenken und wir werden ein Ostern, einen Aufbruch im wahrsten Sinn des Wortes erfahren. Dann und damit beginnt das neue Zeitalter.

Möge die österliche Bußzeit stärken und ermutigen.

Ein gesegnetes Osterfest wünscht euer

Mag. Christian Werner
Militärbischof von Österreich