Predigt beim Festgottesdienst zum Weltfriedenstag 2000

Digitale Bibliothek: Friedensethische Positionen der Kirchen

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Quelle: Diözesanblatt des Österreichischen Militärordinariates, Jahrgang 2000, Nummer 1, Wien, 20. Dezember 2000, S. 4-6

2000-05-30 - Heldenplatz, Wien
Österreichisches Militärordinariat
- Werner, Christian, Militärbischof
Predigt beim Festgottesdienst zum Weltfriedenstag 2000

Als Militärseelsorger hielt ich öfter Besinnungstage mit den Zöglingen des Militärrealgymnasiums. Einmal begann ich den ersten Vortrag mit der Frage: Wer von euch möchte ein Heiliger werden? Großes Schweigen. Dann fragte ich weiter: Und wer von euch möchte in den Himmel kommen? Fast alle Hände gingen in die Höhe. Ja, und dann begann für mich die nicht leichte Aufgabe, über dieses "Abstimmungsergebnis" zu sprechen.

Ich begann mit der vielleicht für viele provokanten Behauptung: "Niemand kann in den Himmel kommen, der nicht durch Gottes Liebe und Gnade ein Heiliger geworden ist. Du musst dich von Gott lieben lassen, Freundschaft mit Gott halten, dann wird er dich führen zu einem reifen, tiefen Glauben, zu dem Gottvertrauen, welches Voraussetzung für den Himmel ist". Mit dieser Behauptung habe ich sicher nicht mit tosendem Applaus gerechnet.

Aber dann erzählte ich von einem für mich unvergesslichen Erlebnis: Während einer Soldatenfirmung durfte ich auch den 14-jährigen Sohn eines Heeresangehörigen firmen: Schwerst körperbehindert wurde er vom Paten im Rollstuhl zur Firmung gebracht. Erwartungsvoll empfing er das Sakrament. Und anschließend nach der Firmung, beim gemeinsamen Mittagessen, winkte er mir zu, ich möge doch kommen, und er gab mir einen Zettel. Mit viel Mühe hatte er auf einer Schreibmaschine einen Satz geschrieben: Wenn Gott stets mit mir ist und mich liebt, wird mir in meinem weiteren Leben vieles einfacher fallen, Ihr Thomas.

Einige Jahre später traf ich diesen nun bereits jungen Mann und er sagte zu mir: Herr Bischof, vielleicht können sie sich noch an meinen Brief nach der Firmung erinnern, Gott liebt mich wirklich, ich habe viel Freude am Leben und großen inneren Frieden.

So ein Erlebnis erinnert schon sehr an die Botschaft des Papstes zum Weltfriedenstag 2000: "Friede auf Erden den Menschen, die Gott liebt!".

Das Schicksal dieses jungen Mannes war für mich wieder ein Beweis, welch große Kraft von Gottes Liebe zu uns Menschen ausstrahlt.

Ein erfahrener Exerzitienpater und Psychotherapeut sagte mir einmal: das Wichtigste und Heilsamste für unzählige Menschen, welche ich begleiten durfte, war und ist: "Du bist ein geliebter Mensch!"

Schon lange bevor unsere Eltern, Lehrer, Ehepartner, Kinder und Freunde uns geliebt haben, sagt Gott zu uns: Ich habe dich beim Namen gerufen, von allem Anfang an. Du bist mein und ich bin dein. Ich habe dich in meine Hand geschrieben, sorge mich um dich, noch viel tiefer als die Sorge einer Mutter um ihr Kind.

Liebe Kameraden, liebe Freunde!
Das ist kein frommes Märchen, sondern eine sehr ernste Realität. Das bedeutet, hinter jedem Menschen steht Gott selbst, ja, er ist ein Ebenbild Gottes und das verleiht ihm damit Würde, Werthaftigkeit und Unantastbarkeit. Die sogenannten Menschenrechte sind eine Frucht der Liebe Gottes zu den Menschen und schützen sie vor Missbrauch und Instrumentalisierung durch andere. Die Menschenrechte sind darum letztlich Gottesrechte. Wer sie bricht, trifft Gott selbst.

Die Beachtung und der Respekt vor diesen Rechten garantieren der Völkerfamilie wirklichen Frieden und tragen viel zur Einheit bei.

Wie der dreifaltige Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist, in sich und für uns Beziehung und Einheit ist, so sollen wir Menschen in der Vielfalt der Völker, Nationen, Rassen und Stämme eins sein in unserer Herkünftigkeit von Gott und in unserer Erwählung durch Gott.

"Wir alle heißen Kinder Gottes, und wir sind es" lesen wir in der Heiligen Schrift (1 Jo 3,1).

In der französischen Revolution formulierte man als Menschenrechte, neben der Freiheit und Gleichheit, die Brüderlichkeit. Aber was soll eine Brüderlichkeit, wenn es keinen gemeinsamen Vater gibt? Heute sagt man "Geschwisterlichkeit": aber wie schon gesagt, diese ist nur dort möglich, wo es den gemeinsamen Vater gibt.

Das Symbol und Programm für den neuen Menschen, der eine neue Welt entstehen lässt, ist das Kreuz Christi, welches uns Christus zeigt mit offenen Händen und offenen Armen und mit einem offenen Herzen. Er verbindet vertikal die Menschen mit Gott, und horizontal verbindet er alle Menschen und macht sie zu Schwestern und Brüder, welche füreinander, weltweit Verantwortung tragen.
Diese weltweite Verantwortung hat bereits in weiter und weiser Voraussicht das II. Vatikanum 1962(!) ausgesagt: Wer als Soldat im Dienste des Vaterlandes steht, betrachte sich als Diener der Sicherheit und Freiheit der Völker(!)...

Und der Heilige Vater verstärkt dies noch in seiner heurigen Botschaft zum Weltfriedenstag: "Weil Gott uns Menschen so liebt, sind alle Menschen, ohne Ausnahme, eine große Familie, in welcher jeder für jeden Verantwortung trägt.
Ja, die Menschen haben auch ein Recht auf humanitäre Hilfe und es besteht die Pflicht, wenn die Zivilbevölkerung Gefahr läuft, unter den Schlägen eines ungerechten Angreifers zu unterliegen, und die Anstrengungen der Politik und die Mittel gewaltloser Verteidigung nicht fruchten, sich mit konkreten Initiativen für die Entwaffnung des Aggressors einzusetzen, unter voller Achtung des internationalen Rechts...", soweit der Papst wörtlich.

Wichtig ist, um solche Worte zu verstehen und auch danach zu handeln, meine ganz persönliche Charakter- und Gewissensbildung. Unser Vorbild und Lehrmeister ist Jesus Christus, der Sieger über Sünde und Tod. Leider ist alles in dieser Welt noch geprägt von Vergänglichkeit, von Schuld und Sünde.

Darum ist der Friede in der Welt auch immer gefährdet. Er bedarf des Schutzes und der Pflege. Das ist uns allen aufgetragen, ganz besonderen uns Soldaten. Wir stehen im Dienst der Friedensunterstützung, Friedenserhaltung oder der Kriegsverhinderung.

Dass dies unser österreichisches Bundesheer, aber auch die Exekutive und viele humanitäre Vereinigungen seit vielen Jahren im In- und Ausland, unter Einsatz ihres Lebens, hervorragend leisten, dafür sei ein aufrichtiges Vergelt`s Gott gesagt.

Dennoch dürfen wir alle nie aufhören mit einer konsequenten Friedenserziehung, vom Kind bis hinein in unsere Kasernen und hinein in die Herzen aller politisch und kirchlich Verantwortlichen.
Die Militärseelsorge mit all ihren Mitarbeitern ist immer bemüht, in der Friedenserziehung tatkräftig im In- und Ausland mitzuwirken. Auch hier sei aufrichtig Dank gesagt.

Abschließend darf ich bitten: Vergessen wir nie: In der eigenen Familie, im Bekanntenkreis, am Arbeitsplatz und in der Kirchengemeinde eröffnen sich uns weite Bewährungsfelder für den Frieden. Adolf Kolping sagt: "Im Haus muß beginnen, was leuchten soll im Vaterland". Das gilt besonders für den Weltfrieden!
Gehen wir mutig und gestärkt an unser Friedenswerk, denn wir sind nicht nur auf unsere eigenen Kräfte angewiesen, sondern Gott selbst ist unser starker Helfer!

Er ist es, der sein Wort hält: "Seht, ich mache alles neu, ich gebe euch einen neuen Himmel und eine neue Erde, ich gebe euch einen Frieden, den die Welt nicht geben kann".
Und bitten wir in dieser Feier zum Weltfriedenstag 2000, knapp vor dem Pfingstfest: Komm Heiliger Geist, erfüllte die Herzen deiner Gläubigen und entzünde in ihnen das Feuer deiner Liebe, sende aus deinen Geist und alles wird neu geschaffen und du wirst das Angesicht der Erde erneuern.

Liebe Freunde, Kameraden! Löscht diesen Geist des Friedens nie aus! Amen.