Predigt bei der 10. Fußwallfahrt der Dekanatspfarre bei der Zentralstelle des BMLV nach Mariazell

Digitale Bibliothek: Friedensethische Positionen der Kirchen

Volltext

Hier finden Sie nährere Details und eine kurze Einführung in das Dokument!

Quelle: Diözesanblatt des Österreichischen Militärordinariates, Jahrgang 1999, Nummer 1, Wien, 1. April 1999, S. 4-6

1998-10-04 - Mariazell
Österreichisches Militärordinariat
- Werner, Christian, Militärbischof
Predigt bei der 10. Fußwallfahrt der Dekanatspfarre bei der Zentralstelle des BMLV nach Mariazell. Heilige Messe am Gnadenaltar

„Stärke unseren Glauben!“ So baten die Apostel den Herrn. „Wenn euer Glaube auch nur so groß wäre wie ein Senfkorn“, ermahnt, ermutigt der Herr seine Jünger, auch uns - dann können wir Großes vollbringen.
Wir sind als Soldaten und Angehörige des Österreichischen Bundesheeres wieder einmal zur Gnadenmutter nach MARIAZELL gepilgert, mit der gleichen Bitte: „Herr, stärke unseren Glauben!“

Wissen sie, wo ich ein Bild von der Mariazeller Basilika das letzte Mal gesehen habe? In Bosnien, im wiedererrichteten Marienwallfahrtsort STUP, in SARAJEWO, eingelegt von Künstlerhand auf einem wundervollen Intarsienaltar, welchen die Militärdiözese ÖSTERREICHS dem total zerstörten Marienheiligtum übergeben durfte.
Ein prächtiger Flügelaltar, im Mittelpunkt die Kreuzigung und Auferstehung des Herrn, und auf den Seitenaltären MARIAZELL und MARIA STUP - Zeichen unserer Freundschaft und Partnerschaft.
Dieser Altar will ein Symbol für Glaube, Hoffnung und Liebe sein; die 3 göttlichen Tugenden, welche die Quellen für unsere Partnerschaft zum Ausdruck bringen.
Die Magna Mater Austriae, die große Mutter ÖSTERREICHS, und die Madonna von STUP, die Schutzfrau des fürchterlich von Zerstörung heimgesuchten BOSNIEN. Sie ist unsere gemeinsame Mutter - uns Menschen geschenkt durch ihren Sohn Jesus am Kreuz, wenn er zu Johannes sagt:
„Sieh‘ da, deine Mutter“, das heißt, er sagt es zu uns: „Seht da, alle Menschen, eure Mutter!“ Die Mutter Gottes ist auch unsere Mutter.

Welch' unvergessliches Freudenfest in EPHESUS war die spontane Antwort tausender Menschen nach der Verkündigung durch das Konzil:
„Die heilige Jungfrau ist deshalb Gottesgebärerin, weil sie das fleischgewordene, aus Gott entstammende Wort dem Fleisch nach geboren hat“.
Gebe Gott, dass in unseren Herzen ein ebensolcher Glaube brennt, damit auch wir in einen Lobgesang des Dankes einstimmen können. Denn durch die Auserwählung Mariens als Mutter Jesu Christi, eines Menschen wie wir, läßt Gott jeden von uns unter dem Schutzmantel dieser Mutter geborgen sein. Sie ist Mutter Gottes und unsere Mutter.

Sie hat am Erlösungswerk mitwirken dürfen, welches uns nicht nur von der Sünde befreit, uns nicht nur mit Gott versöhnt, sondern uns zu seinen Kindern macht. Ist ein größeres Maß an Liebe noch möglich?
Drängt es nicht jeden von uns, zum Beispiel durch eine gute Beichte, dieses großherzige Geschenk der Versöhnung anzunehmen? Wann haben wir dieses Geschenk das letzte Mal angenommen? Welch' Befreiung und Freude würde unser Herz erfüllen!

Wie viele von uns wissen, ist auf meinem bischöflichen Wappen ein Weinstock zu sehen. Dieser erinnert mich an ein Wort Gottes aus dem Buch Sirach (24,17):
„Ich trieb wie ein Weinstock liebliche Sprossen, und meine Blüten tragen prächtige und reiche Frucht“.

Möge sich, vor allem in unseren Soldatenherzen, eine blühende, innige Verehrung der Königin des Friedens entfalten, ein ständiges, tiefes, Vertrauen. Und es heißt weiter im Text: „Ich bin die Mutter der schönen Liebe, der Gottesfurcht, der Erkenntnis und der frommen Hoffnung“ (Buch Sirach 24,18).

Dies sind kleine Lektionen, an die uns die Gottesmutter erinnert:
* Zunächst wird Maria „Mutter der schöne Liebe“ genannt, das heißt, auch wir sollen uns bemühen um ein harmonisches, erbauendes Familienleben in gegenseitiger Achtung, Treue und in Treue zur Mutter Kirche;
* aber Maria wird auch „Mutter der Furcht“ genannt: Das hat nichts mit Ängstlichkeit zu tun. Gott will uns ja nicht ängstlich oder träge in unserer Gottesbeziehung, sondern wach, tapfer, mutig.
Wie leicht lassen wir uns im Alltag von verschiedenen Dingen fortreißen, die nicht zu Gott hinführen, und als Folge davon verlieren wir ihn aus den Augen.
Manchmal ist es vielleicht der Herr selbst, der sich verbirgt. Wir alle kennen so Zeiten der Glaubensmutlosigkeit. Gott allein weiß warum. Aber letztlich will er uns antreiben, ihn mit noch größerem Eifer zu suchen.
Ein Prediger hat einmal gesagt: Wir Menschen haben jede Menge Angst und kein bisschen Gottesfurcht.
Es geht jetzt schon los mit der Angstmacherei durch die sogenannten „Wahrsager“ und selbstausgedachten „Prophezeiungen über den Weltuntergang“ in Richtung Jahr 2000. Ja, der Teufel weiß mit der Angst der Menschen umzugehen.
Oder glauben wir zum Beispiel, daß die vielen Konferenzen allein Frieden bringen, wenn der Mensch sich nicht ändert, wenn der Mensch nicht wieder umkehrt zur Ehrfurcht vor der Schöpfung, zur Ehrfurcht vor den Mitmenschen, zur Ehrfurcht vor Gott? Ja, aufrichtige Gottsuche ist das Gebot der Stunde.

Erinnern wir uns an die bewegende Episode, da der junge Jesus in Jerusalem zurückbleibt und im Tempel lehrt. Die Gottesmutter hatte ihn ohne eigene Schuld verloren und sie hatte umso größere Freude, ihn wiederzufinden.
Maria wird uns helfen, ihn wiederzufinden, umzukehren, alles in Ordnung zu bringen, wenn unsere Nachlässigkeiten und Sünden uns einmal nicht erlauben sollten, Christus wahrzunehmen. Große Freude wird uns erfüllen.
* Maria lehrt uns noch etwas: Sie ist auch die Mutter der Erkenntnis. Erkenntnis ist eine der 7 Gaben des Heiligen Geistes. Diese Erkenntnis ist nicht beschränkt auf einen rein intellektuellen Vorgang, sondern entspringt aus einer ganzheitlichen Sehnsucht nach der Liebe Gottes.
Als Soldaten würden wie vielleicht sagen: Mit Hirn und Herz Gott suchen und alles, die ganze Schöpfung als sein Geschenk, uns anvertraut, zu sehen. Das meint biblische Erkenntnis, welche zum Handeln drängt.
Erinnern wir uns an das Wort des Herrn: „Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt“ (Mt 16,26)?

Den wahren Lebensweg zu finden hilft uns Maria: Betrachten wir oft in ruhigem, stillen Gebet alles, was wir von unserer Mutter gehört haben.

In LOURDES hat mir einmal ein Soldat gesagt: „Viele Stunden habe ich, den Rosenkranz betend, vor der Grotte verbracht, aus einer großen Mutlosigkeit heraus, aber jetzt habe ich wieder volle Freude am Leben“.
Wie groß war meine Freude über solch' ein Zeugnis: Ja, wir dürfen, wie Kinder, mit all unseren Sorgen zu Maria kommen - eine Mutter weiß das.

Zusammenfassend möchte ich sagen: Maria ist unsere Lehrmeisterin des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe.
„Selig bist du, Maria, da du geglaubt hast“ (Lk 1,45)! Das ist der Gruß der Base Elisabeth.
Wunderbar Marias Glaubenshaltung: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort“ (Lk 1,38).
Dann folgt „in Stille“ dreißig Jahre einfaches, gewöhnliches Leben mit Freude aber auch viel Leid.
Mit wenigen Worten berichtet das Evangelium: „Maria aber bewahrte alle diese Dinge und erwog sie in ihrem Herzen“ (Lk 2,19). Versuchen wir, sie darin nachzuahmen, indem wir den Umgang mit dem Herrn suchen und mit ihm ein ganz offenes Gespräch führen über alles, was uns beschäftigt. Vergessen wir nicht, dass alle, auch die kleinsten Begebenheiten erwogen, gewertet, mit gläubigen Augen gesehen werden sollen, damit wir in ihnen den Willen Gottes entdecken.

* Maria ist auch Lehrmeisterin der Hoffnung.
„Von nun an werden mich seligpreisen alle Geschlechter“ (Lk 1,48), so ruft sie aus.
Maria war keine der großen Heldinnen, wie Judith, Esther, Debora, welche schon auf Erden menschlichen Ruhm gewannen.
Für Maria - wie für Jesus - ist der einzige Thron das Kreuz. Beeindruckend ihre stille Gegenwart, ihr Verharren im Gebet mit den Jüngern.
Welcher Kontrast zwischen der Hoffnung Mariens und unserer Ungeduld!

Wie oft fordern wir nur von Gott, stöhnen bei geringen Schwierigkeiten, sind hoffnungslos - oft fehlt uns wirklich der Glaube an die Verheißung: „Selig bist du, da du geglaubt hast, dass in Erfüllung gehen wird, was dir vom Herrn verkündet worden ist“ (Lk 1,45)! Das gilt auch für uns!

* Maria ist Lehrmeisterin der Liebe.
Erinnern wir uns, was bei der Darstellung Jesu im Tempel geschah. Der greise Simeon spricht zu Maria: „Siehe, dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird... Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen“ (Lk 2,24-36).

Auch schon einige Päpste haben Maria als Miterlöserin bezeichnet. Sie teilt alles mit ihrem Sohn, in schweigender Liebe - Jesus wußte dies.

Auch in ihr wird das Wort des Herrn Wirklichkeit: „Eine größere Liebe hat niemand, als wer sein Leben hingibt für seine Freunde“ (Jo 15,13)!
Gilt dieses Wort nicht auch für uns Soldaten, wenn wir unser Leben einsetzen für Gerechtigkeit und Frieden?!

Es ist tröstlich für uns - ich darf diese, für uns so entscheidenden Sätze wiederholen -, dieses Wort des Herrn am Kreuz an seine Mutter: „Frau, siehe, dein Sohn“.
Dann sagte er zu Johannes: „Siehe, deine Mutter“ (Jo 19,26-27). In Johannes vertraut Christus seine Mutter allen Menschen an. Ja, sie ist und bleibt auch unsere Mutter.

Zur großen Mutter ÖSTERREICHS, zur Mutter vieler Nationen Europas, sind wir heute gepilgert. Sie öffnet uns den Weg zum Himmelreich, das nur denen, die „zu Kindern werden“ (Mt 19,14), gegeben ist. Wir dürfen uns nie von ihr trennen.
Maria führt uns zu Christus, so dass das Wort der heutigen Lesung: „Schäme dich also nicht, dich zu unserem Herrn zu bekennen“ (2 Tim 1), nie auf uns zutreffen möge.

Nehmen wir von diesem Gnadenort mit, ganz persönliche Erfahrungen mit der Liebe Mariens zu suchen, im Gebet, im Erzählen all der Szenen unseres Lebens: ob Kämpfe, Erfolge oder Misserfolge.
Werden wir nie müde, wie unzählige Soldaten im Einsatz, den Rosenkranz zu beten. Hat doch dieses Gebet, vor allem menschliches Bemühen, Österreich die Freiheit gebracht.
Ehren wir unsere Mutter an den vielen Marienfeiertagen und in Wallfahrten, damit wir ihr in unseren Glaubensgrundhaltungen immer ähnlicher werden. Dies schmälert sicher nicht die Gott geschuldete Anbetung. Im Gegenteil: Ich versichere euch, dass wir auf dem Weg mit Maria die ganze Liebe Jesu Christi finden werden.
Wir werden Kraft finden, den Willen Gottes zu erfüllen und unser Verlangen, den Menschen zu dienen durch Werke der Liebe und Gerechtigkeit, wird immer mehr freudig erstarken. Gehen wir zu Maria, und sie wird uns mit sicherem und beständigem Schritt begleiten. AMEN