Weihnachtsbotschaft 2023

Digitale Bibliothek: Friedensethische Positionen der Kirchen

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Quelle: Militärordinariat

2023-12-14 - Wien
Österreichisches Militärordinariat
- Freistetter, Werner, Militärbischof
Weihnachtsbotschaft 2023

Liebe Schwestern und Brüder!

Wenn wir in diesen dunkelsten Tagen im Jahr Weihnachten feiern, das Fest der Menschwerdung, des Lichtes und des Friedens, den die Engel den Hirten in der Nacht der Geburt Christi verkündet haben, dann denke ich voll Sorge an die Kämpfe vor allem in der Ukraine und im Heiligen Land, bei denen ein baldiges Ende und eine gerechte politische Lösung noch kaum absehbar sind. Ich denke an die Menschen, die getötet oder verwundet wurden, die Verwandte oder Freunde verloren haben, die ihre Heimat verlassen mussten und wie die Eltern Jesu in großer Bedrängnis einen halbwegs sicheren Ort für ihre Familie suchen. Beten wir für sie und alle, die in diesen winterlichen Tagen an den Folgen bewaffneter Konflikte leiden!

Noch vor dem Beginn der erneuten Eskalation der Konflikte in den beiden Regionen hat Papst Franziskus 2021 mit dem Thema der Bischofssynode 2023/2024 „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung“ die Arbeit an einem Gegenprogramm aus dem Inneren der Kirche heraus vorgezeichnet. Wie der Synthese-Bericht der Ersten Sitzung der Generalversammlung der Bischofssynode vom 4. bis 29. Oktober 2023 mitteilt, fand die „Versammlung […] statt, während in der Welt alte und neue Kriege toben, mit dem absurden Drama unzähliger Opfer.“ (2) Den Teilnehmern wurde durch den Heiligen Geist „die Erfahrung der Harmonie geschenkt, die nur er zu erzeugen vermag: ein Geschenk und ein Zeugnis in einer zerrissenen und gespaltenen Welt.“ (2)

Aber was bedeuten die im alltäglichen Sprachgebrauch nicht vorkommenden Wörter „synodal“ bzw. „Synodalität“? Und wie können von der Rückbesinnung auf dieses alte kirchliche Prinzip Impulse für ein friedliches und gerechtes Zusammenleben heute ausgehen?

Der Synthese-Bericht räumt ein, „dass ‚Synodalität‘ ein Begriff ist, der vielen Mitgliedern des Volkes Gottes nicht geläufig ist, was bei manchen Verwirrung und Besorgnis hervorruft.“ (5) Der Bericht bietet dazu keine endgültige Klärung, diese wird vielmehr als noch zu leistende Aufgabe angesehen. Synodalität ist jedenfalls „eine Art und Weise, Kirche zu sein, die Gemeinschaft, Sendung und Beteiligung zum Ausdruck bringt“ (6). Sie bezeichnet ein Unterwegssein der Christen „mit Christus zum Reich Gottes“ (6), aber zugleich „zusammen mit der ganzen Menschheit“ (6), andererseits auch konkreter „eine Reihe von Prozessen“ und ein „Netzwerk von Gremien, die den Austausch zwischen den Kirchen und den Dialog mit der Welt ermöglichen.“ (3)

Um das, was Synodalität bedeutet, möglichst vielen Menschen durch ihre eigene Praxis begreif- und erlebbar zu machen, hat Papst Franziskus die Bischofssynode zu einer Weltsynode ausgeweitet und allen Gläubigen die Teilnahme im Vorfeld der Beratungen ermöglicht. In einem mehrstufigen Synodalen Prozess wurden unzählige Eingaben gesammelt, auf der Ebene der Diözesen, der Bischofskonferenzen sowie der Kontinente zusammengefasst und für das Plenum im Rom aufbereitet. Um die Öffnung der Synode auch im Plenum sichtbar zu machen, wurden zu den Sitzungen der Generalversammlung in Rom Nichtbischöfe, darunter männliche und weibliche Laien, als Teilnehmer zugelassen – ein sehr bemerkenswerter Schritt.

Die Wörter Synode bzw. Synodalität stammen aus dem Altgriechischen und enthalten die Vorsilbe syn („mit“, „zusammen“) sowie den Wortstamm hod- („Weg“). Synodeuein bedeutet „zusammen reisen“, synodia „Reisegesellschaft“, synodos „Gemeinschaft“, „Verein“, „Versammlung“, „Geschlechtsverkehr“ oder auch „Zusammentreffen“, „Gefecht“. Die letzten drei Bedeutungen spielen beim theologischen Synodenbegriff freilich keine Rolle.

Im Blick auf den Dienst der Soldatinnen und Soldaten kann man sehr schön zeigen, was Synodalität in seiner Grundbedeutung meint:

Soldatinnen und Soldaten sind oft gemeinsam auf dem Weg, u.a. beim Marschieren oder Exerzieren, bei Übungen, im Rahmen logistischer Aufgaben, bei Truppenverlegungen, im Kampfeinsatz. Um den gemeinsamen Weg trotz großer Schwierigkeiten und nicht selten unter Zeitdruck bewältigen zu können, braucht es Entscheidungen und Entscheidungsstrukturen, die aber immer auf den Auftrag und die Zielerreichung bezogen sein müssen. Die unterschiedlichen Ränge und Funktionen ergeben sich nicht daraus, dass manche Menschen grundsätzlich höher stehen als andere oder zu bevorzugen sind, sondern gründen in der Notwendigkeit eines arbeitsteiligen Dienstes für Sicherheit und Frieden. Auf allen Ebenen sind mehr oder weniger schwierige Entscheidungen zu treffen. Wechselseitige Kommunikation sowie die Kommunikation von und nach außen (etwa mit Akteuren im Einsatzraum) ist genauso notwendig wie Evaluierung und ggf. Anpassung der Strukturen und Prozesse des militärischen Dienstes. Auch in der Armee müssen wir eine Kultur des Hörens und des Gehorsams kultivieren, die nicht selbstverständlich ist. Ein Kommandant ist schlecht beraten, (auf) seinen Stab, die Angehörigen seiner Einheit nicht zu „hören“. Umgekehrt ist es in der Regel notwendig, dass die an einem Einsatz Beteiligten über den Einsatzzweck und seine Hintergründe informiert sind, um im Rahmen des Auftrags und der erteilten Befehle in der konkreten Situation auf ihrer Ebene die richtigen, moralisch verantwortbaren Entscheidungen treffen zu können. Und nicht zu vergessen: Als Bürger eines demokratischen Staates sind wir alle für unsere Armee – das Bundesheer – verantwortlich und fällen, wenn auch indirekt, die grundlegenden Entscheidungen auf unserem gemeinsamen Weg als staatliche Gemeinschaft. Durch die Mitgliedschaft in der Europäischen Union, den Vereinten Nationen und anderen internationalen Organisationen tun wir das auch in weit über die staatliche Gemeinschaft hinausgehenden Weggemeinschaften.

Auch alle unsere kirchlichen Strukturen sind auf die Sendung durch Christus und den Dienst an den Menschen – allen Menschen – hingeordnet. Synodalität bezeichnet in erster Linie diesen gemeinsamen Dienst, dieses freie und eigenständige Zusammen-unterwegs-Sein mit Christus in eine gemeinsame Zukunft, die Gott für uns bereithält. Auch dabei ist es notwendig, sich immer wieder über den gemeinsamen Weg zu verständigen, Weichen zu stellen und Entscheidungen zu treffen. Bereits die frühe Kirche hat das in gemeinsamen Versammlungen getan, die man „Synoden“ nennt, und die die Kirche und ihre Gestalt bis heute prägen. Nicht jede einzelne Entscheidung können wir heute noch gut nachvollziehen, und als Menschen sind auch wir Christen verletzlich und endlich, der Möglichkeit zu Irrtum und Sünde ausgesetzt. Wir sind noch nicht am Ziel, eine wandernde Kirche, ein pilgerndes Gottesvolk. Aber wir dürfen darauf vertrauen, dass Gott mit uns ist, dass er Ursprung und Ziel unsres Weges bleibt und uns auch in schwierigen Situationen beisteht.

In der Militärseelsorge, in der Kirche unter den Soldaten gehören wir beiden Welten an: Christliche Soldatinnen und Soldaten arbeiten einerseits an der Friedenssicherung und Gewaltbegrenzung durch die staatliche Autorität im Rahmen der Landesverteidigung sowie im internationalen Einsatz mit. Andererseits stehen wir in der Nachfolge jenes Jesus von Nazareth, der durch sein Leben und seinen gewaltlos erlittenen Tod am Kreuz die Spirale zwischenmenschlicher Gewalt aufgebrochen hat in einen von Gott verheißenen Frieden hinein, der in der liebenden Gemeinschaft mit Gott und untereinander besteht und unsere Vorstellungen einer menschengemachten sicheren und friedlichen Ordnung weit übersteigt.
Um die Beteiligung, Mitarbeit und Mitsprachemöglichkeiten aller Angehörigen der Militärseelsorge bei der Bewältigung der drängendsten Herausforderungen der Gegenwart zu fördern sowie das Bewusstsein, gemeinsam Kirche im Militär zu sein, zu stärken, hat bereits mein Vorgänger, Militärbischof Christian Werner, 2012 einen synodalen Prozess ins Leben gerufen, dessen Höhepunkt die Synodenwoche in Salzburg vom 30. September bis 4. Oktober 2013 war.

10 Jahre nach dem Erscheinen der Pastoralen Leitlinien im Anschluss an unseren synodalen Prozess und vor der zweiten Sitzung der Generalversammlung der Bischofssynode möchte ich im kommenden Jahr die gemeinsame Arbeit an der Zukunft der Militärseelsorge noch einmal intensivieren und lade Sie alle ein, Vorschläge und Ideen einzubringen und sich an den Überlegungen und Beratungen zu beteiligen.

Es war keine ruhige und besinnliche Zeit, in die Jesus hineingeboren wurde. Sie war von Armut, Fremdherrschaft, politischen Unruhen und religiöser Spaltung geprägt. Aber es war auch eine Zeit des Aufbruchs, in der sich viele Menschen auf den Weg machten, um ihr Leben zu ändern, Heilung zu erfahren und gemeinsam den Anbruch des Reichs Gottes unter den Menschen zu erleben.

Nehmen wir uns ein Beispiel an diesem ersten syn-odalen Unterwegssein in der ganz wörtlich verstandenen „Nachfolge“ Jesu und lassen wir uns von seiner Botschaft, seinem Tod und seiner Auferstehung berühren, damit wir Zeugen werden für jenen Frieden Christi, der uns allen verheißen ist und den unsere weihnachtlichen Feiern und unser gemeinsames eucharistisches Mahl zeichenhaft vorwegnehmen.

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen allen ein frohes und friedvolles Weihnachtsfest!

+ Werner Freistetter
Militärbischof