Predigt anlässlich des Weltfriedenstages 2002

Digitale Bibliothek: Friedensethische Positionen der Kirchen

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http://www.mildioz.at/archiv/2002/weltfriedenstag.shtml, Stand: 2004-03-15

2002-05-16
Österreichisches Militärordinariat
- Werner, Christian, Militärbischof
Predigt anlässlich des Weltfriedenstages 2002

Jedes Jahr ermutigt uns der Papst durch seine Botschaft zum Weltfriedenstag. Diesmal vor dem Hintergrund der dramatischen Ereignisse vom vergangenen 11. September.

Traurige weitere Ereignisse, wie der Unfrieden im Heiligen Land oder die unfassbare Tat eines jungen Menschen in ERFURT u.v.m. haben die Menschen ihre Verwundbarkeit erfahren lassen und viele haben begonnen, mit einem tiefen, bis dahin nicht gekannten Angstgefühl in die Zukunft zu schauen. Angesichts solcher Erfahrungen möchte die Kirche ein Zeugnis ihrer Hoffnung geben, weil ihr bewußt ist: Der Mensch ist zum Sorgenkind Nr. 1 geworden.

Der Papst ist zutiefst bedacht, dass dem Wort "Friede" sein ein konkreter Sinn wiedergegeben wird. In der Botschaft zum Weltfriedenstag 2002 betont er sehr deutlich: "Kein Friede ohne Gerechtigkeit, keine Gerechtigkeit ohne Vergebung". Wir alle tun uns oft sehr schwer, wahre Gerechtigkeit und Vergebung zu leben: auch leider bei gläubigen Menschen. Aber gerade die Religionen sollen den Menschen helfen, den Ursprung wahrer Gerechtigkeit und Vergebung zu finden, um auch danach leben zu können.

Was ist der Grund, der uns Menschen verbindet?
Besser gesagt, wer ist der Grund?

Wir Christen glauben, dass wir alle Schwestern und Brüder sind, Geschöpfe Gottes, geliebte Kinder Gottes: egal welcher Hautfarbe, Nationalität, Rasse. Und wir sind überzeugt: nur wer Gott kennt, kennt auch den Menschen, achtet ihn in seiner Würde. Viele Menschen versuchen, sich ihre eigenen Götter oder Religionen zu schaffen, müßten aber ehrlicherweise zugeben: sie leben oft Traumwelten - viele davon sind lebensgefährlich. Das Sorgenkind Nr. 1 hat sich von seinem Ursprung und Schöpfer abgesondert - und das bedeutet Sünde (ein kaum mehr gebrauchtes Wort, auch für viele Gläubige).

Sünde ist keine Konstruktion von Pfarrern und Theologen, sondern eine verhängnisvolle Realität. Die Urversuchung des Menschen, sich an Gottes Platz zu stellen, selbst zu entscheiden was gut und böse, richtig und falsch ist, lebt auch in uns Gläubigen, und dies wirkt sich verheerend auf den Menschen und auf seine Mit- und Umwelt aus. Die Folge, "selbst wie Gott sein zu wollen", ist ein zerstörerisches Potential, welches ständig wächst.

Das vergangene und das bisherige neue Jahr hat uns dies in aller Schärfe gezeigt. Der Friede ist auch in Europa - bis in Schulen und Familien hinein - aufs Höchste bedroht. Der Prophet Jesaja sagt es sehr deutlich: "Für den Gottlosen gibt es keinen Frieden" (Jes 48,22). Er hat recht! Da mögen sie schreien, demonstrieren oder verhandeln, solange sie wollen.

Der wahre und einzige Weg zum Frieden ist die ehrliche Hinkehr zu Gott und zueinander: das schenkt inneren Frieden der Seele, das macht uns frei, sicher, glücklich und läßt uns angst-los in die Zukunft schreiten, denn wir sind als Kinder Gottes in seiner Hand. Um das zu zeigen, ist Gott ja selbst Mensch geworden.

Durch die Beziehung zu Christus erfahren wir Kraft und Mut zu einem versöhnlichen Miteinander, zur Vergebung. Das Maß dafür gibt der Herr selbst, wenn er am Kreuz für seine Mörder bittet: "Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!"

Vergebung betrifft aber nicht nur uns Gläubige, sondern beruht auf der Sehnsucht jedes Menschen, der sich schuldig gemacht hat: Niemand möchte immer Gefangener seiner Schuld bleiben - genau das sollte man auch dem anderen gewähren. Derjenige aber, der absolut nicht bereit ist zu vergeben, entscheidet sich damit für Rache, Vergeltung, Elend, Terror ohne Ende.

Es gibt aus Erfahrung die uralte Weisheit: nur die Vergebung ist die Quelle der Gerechtigkeit. Eine Gerechtigkeit, welche den beständigen und festen Willen hat, Gott und dem Nächsten das zu geben, was ihm gebührt. So wird die Menschenwürde zum Fundament für Gerechtigkeit und Frieden.

Als Priester, vor allem als Militärseelsorger, muß ich uns alle immer wieder ermutigen und auch ermahnen, alles zu tun, um Gerechtigkeit zu üben, wenn nötig, auch in einer heroischen Weise (im Einsatz: Keine größere Liebe hat der, der sein Leben hingibt für seine Freunde).

Dank an Soldaten und Exekutive. Dank allen Kameraden (v.a. jungen Kameraden), dass ihr euch entschlossen habt für einen Dienst am Frieden beim Österreichischen Bundesheer.

Wir müssen aufgrund unserer Freiheit, Kinder Gottes zu sein, die persönliche Freiheit jedes einzelnen verteidigen, wir müssen eintreten für das Recht auf Leben in all seinen Phasen, für das Notwendige für ein menschenwürdiges Dasein,
für den Schutz von Ehe und Familie, für Kinder und Jugendliche und deren Erziehung v.a. für den Frieden, für die Alten, Schwachen und Behinderten, für die Kulturgüter, für die Friedenssicherung, für das Recht der Menschen in voller Freiheit Gott zu erkennen und zu lieben. Wie wir sehen: unzählige Aufgaben, zu denen ein gebildetes Gewissen uns ruft. Denn ein gebildetes Gewissen wird in allen Dingen die Spuren des Schöpfers erkennen.

Diese Erkenntnis ist auch von großer Bedeutung für ein neues Europa. Ja, ich schließe mich voll der Forderung des Kölner Erzbischofs, Kardinal Meissner, an: Der Verweis auf Gott gehört in ein künftige europäische Verfassung!
Ohne Gott kann es keinen realen Fortschritt auf dem Weg zu einem geeinten Europa geben.

Umso mehr freut es mich mitteilen zu dürfen, dass der Präsident der Arbeitsgemeinschaft katholischer Soldaten Österreichs zum Präsidenten aller katholischen Verbände weltweit gewählt wurde, und so sich für uns Soldaten eine große Chance bietet, die jetzt erwähnten Probleme Millionen von v.a. jungen Menschen nahezubringen.

Und noch ein Letztes aber sehr Wichtiges: Ohne Wenn und Aber verurteilt der Papst den Terrorismus, welcher mit Gewalt seine Ideologien aufzwingt.
Dabei ist zu beachten: Auch in der noch so gerechtesten Verteidigung von Rechten darf man nie in sich unmoralische Mittel anwenden. Hinzufügen wird man auch müssen: Ja, Terror ist immer himmelschreiende Sünde, aber manche "Mittel" zur Terrorbekämpfung "schreien dabei mit" und manchmal lauter als die Terror-Sünde.

Welchen dringenden Auftrag - so der Heilige Vater - haben die Religionen:

Die religiösen Führer der Juden, der Christen und der Muslime sollten öffentlich den Terrorismus verurteilen und jede Form religiöser oder moralischer Legitimation verweigern. Solch ein gemeinsames Lehren ist die unerlässliche Voraussetzung für den Aufbau einer internationalen Gesellschaft, die imstande ist, als Ziel die Ruhe der Ordnung in Gerechtigkeit und Freiheit zu verfolgen.
Es besteht der Dienst der Religionen weiterhin darin, dass der "Weg der Vergebung" aufgezeigt und beschritten wird, weil der Mensch, der vergibt oder um Vergebung bittet, begreift, dass es eine Wahrheit gibt, die größer ist als er.
Ruft der Heilige Vater zum gemeinsamen Gebet für den Frieden auf. Beten für den Frieden heißt, das menschliche Herz für die erneuernde Kraft Gottes zu öffnen. Dies schafft Bereitschaft für den Frieden.
Thema des Gebetes sind die Gerechtigkeit, die Bildung und Hochschätzung des Gewissens und die Kraft zur Vergebung.
Dazu lädt uns der diesjährige Weltfriedenstag ein:
Die Vergebung schafft Gerechtigkeit, die Gerechtigkeit aber den Frieden. Amen.