Dr. Jochen Rehrl, tätig im Büro für Sicherheitspolitik im Verteidigungsministerium, gestaltete einen Überblick über das bisherige Engagement Österreichs im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Das Land habe von Anfang an einen aktiven Beitrag geleistet und sich an den meisten militärischen Einsätzen der EU beteiligt, wenn auch tendenziell mit zahlenmäßig eher bescheidenen Mitteln. Auch zu den zivilen Missionen (vor allem Polizeimissionen) habe das Land im Regelfall beigetragen. Hier sei allerdings die Zusammenarbeit zwischen zuständigen Ministerien in Wien (Verteidigung, Inneres, Äußeres, Justiz) zu verbessern, um künftig schneller auf Anfragen reagieren zu können. Österreich, so Rehrl abschließend, werde sich auch in Zukunft aktiv an der Weiterentwicklung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik beteiligen.
Monsignore Miroslaw Wachowski widmete sich in Vertretung des verhinderten Msgr. Michael W. Banach (Ständiger Vertreter des Heiligen Stuhls bei der OSZE, der IAEO und der CTBTO) den sicherheitspolitischen Herausforderungen in Europa aus der Sicht der Katholischen Kirche. Er betonte eingangs, dass die Katholische Kirche mit dem Vatikan als Mitglied der internationalen Staatengemeinschaft die einzige Religionsgemeinschaft weltweit sei, die diplomatische Beziehungen aufnehme und sich im Rahmen der internationalen Gemeinschaft einbringe. Dieser einzigartige Status beruhe auf der geschichtlichen Entwicklung und der hohen moralischen Autorität des Papsttums.
In seinen bilateralen und multilateralen Beziehungen lasse sich der Heilige Stuhl von folgenden Prinzipien leiten: Vorrang der menschlichen Person, ihrer Würde und Rechte; die Förderung und nötigenfalls Verteidigung des Friedens, die sich u.a. anhand des Einsatzes des Papstes für Frieden im Nahen Osten zeige; Unterstützung demokratischer Strukturen; Errichtung einer internationalen Ordnung, die auf Gerechtigkeit und Recht beruht; Gleichheit der Nationen, auch in der Solidarität miteinander. In diesem Zusammenhang betonte Wachwoski, dass Krieg niemals als Mittel der Konfliktaustragung akzeptiert werden könne.
Eine besondere sicherheitspolitische Herausforderung aus der Sicht des Heiligen Stuhls sei die Förderung der Religionsfreiheit. Diese könne nicht nur zum Wohl jedes einzelnen Staates beitragen, sondern auch zum internationalen Frieden.
Dr. Heinz-Gerhard Justenhoven, Direktor des Instituts für Theologie und Frieden in Hamburg, befasste sich in seinem Beitrag mit ethischen Gesichtspunkten der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Eingangs erinnerte er daran, dass die europäische Einigung ein Friedensprojekt ist. Es sei dadurch gekennzeichnet, dass die Mitgliedstaaten souveräne Rechte gemeinsamen europäischen Institutionen übertragen würden. Justenhoven verwies zudem darauf, dass die EU nicht zuletzt mit der Grundrechtecharta über eine explizite Wertebasis verfüge. Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Menschenrechte seien auch im EU-Vertrag als gemeinsame Werte festlegt.
Im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik, wo sich die Mitgliedstaaten die Letztentscheidung noch vorbehalten, sei die Union laut Justenhoven ethisch dazu verpflichtet, zum umfassenden Weltfrieden beizutragen. Auf dem Weg zu diesem Ziel müsse sie nicht nur einen kooperativen Multilateralismus fördern, sondern vor allem darauf achten, dass Konflikte im Sinne der Gerechtigkeit bewältigt werden. Damit die EU diesen Weg beschreiten und international mehr Gewicht gewinnen kann, ist für Justenhoven die Überwindung der einzelstaatlichen Interessen auch im Bereich der Sicherheitspolitik nötig.
Dr. Gerhard Marchl vom Institut für Religion und Frieden der Katholischen Militärseelsorge nahm eine ethische Bewertung eines Militäreinsatzes der EU vor, nämlich der Operation Artemis. Diese hatte im Jahre 2003 die Aufgabe, schwere Menschenrechtsverletzungen in der Stadt Bunia in der kriegsgeplagten Demokratischen Republik Kongo abzustellen. Marchl ging nun der Frage nach, ob diese EU-Kriseninterventionstruppe ethisch ausreichend legitimiert war. Er kam zum Schluss, dass die Operation nicht nur erfolgreich, sondern ethisch gerechtfertigt gewesen sei und den Werten der EU entsprochen habe. Allerdings sei die EU danach vorerst nicht bereit gewesen, sich dauerhaft politisch und militärisch zu engagieren, um im gesamten Kongo einen umfassenden Frieden herzustellen. Seit 2005 jedoch habe die EU wieder mehr Verantwortung übernommen und sei u.a. wieder mit zivilen Missionen im Land präsent.