7. Station: Jesus fällt zum zweiten Mal
Wieder liegt er am Boden. Nicht zum ersten Mal, aber es wirkt jedes Mal endgültiger, schwerer, dunkler. Jesus fällt zum zweiten Mal unter dem Kreuz. Nicht, weil er aufgeben will – sondern weil die Kraft schwindet. Weil das Kreuz nicht leichter geworden ist. Weil der Weg nach Golgota nicht kürzer wird. Und weil um ihn herum niemand innehält, niemand die Hand reicht.
Die Szenerie könnte alltäglicher kaum sein – und doch ist sie heilsgeschichtlich unendlich. Die Menge steht, sieht zu, urteilt. Manche lachen, andere schweigen. Einige vielleicht sogar mit einer gewissen Genugtuung: „Jetzt liegt er wieder. War wohl doch nicht der, für den er sich hielt.“ Der Fall wird zur Bühne – ein Theaterstück des Scheiterns.
Und genau das macht das Fallen so schwer: nicht nur die eigene Ohnmacht, sondern das schadenfrohe Raunen der Umstehenden. Das kalte Zuschauen, wenn einer am Boden liegt. Die Menschen, die sich groß fühlen, nur weil ein anderer gerade klein ist. Die, die glauben, dass sie nur dann glänzen, wenn ein anderer im Staub liegt. Es ist ein uraltes Muster – und ein erschreckend gegenwärtiges.
Jesus, der Unschuldige, wird verhöhnt. Er trägt nicht nur das rohe Holz, sondern auch das Gewicht der Verachtung. Gezeichnet von Folter, von Schlägen und Spott, drückt ihn die Last nieder. Staub klebt an seinen Händen, Blut an seiner Stirn. Und doch ist da mehr: „Aber er hat unsere Krankheiten getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen.“ So heißt es im Buch Jesaja. Er fällt – für uns.
Diese Station erzählt nicht nur von einem Körper, der versagt. Sie erzählt von einem Menschen, der trotz allem weitergeht. Der hinfällt – und dennoch aufsteht. Nicht aus Pflicht, sondern aus Liebe. Weil er weiß: Dieser Weg ist der einzige. Und weil er weiß: Auch wir werden fallen. Immer wieder. Und wir werden Menschen brauchen, die uns nicht verurteilen, sondern aufhelfen.
Vielleicht liegt in dieser Station die tiefste Einladung zur Empathie. Wer fällt, braucht keine Zuschauer, sondern Mitmenschen. Und wer aufsteht, tut das nie nur für sich allein – sondern oft auch für jene, die noch liegen.
Ein Moment zum Innehalten:
Wem sehen wir beim Fallen zu – und wen haben wir je aufgerichtet?
Wo habe ich selbst schon am Boden gelegen – körperlich, seelisch, geistig und welche Reaktionen habe ich von anderen erfahren – Mitgefühl oder Gleichgültigkeit? Hilfe oder Häme?
Wie gehe ich mit dem Scheitern anderer um? Urteile ich vorschnell, oder gelingt es mir, mit dem Herzen zu sehen?
Wer liegt gerade in meinem Umfeld „am Boden“ – bildlich oder tatsächlich? Wem könnte ich meine Hand reichen? Wer braucht mein Verständnis, meine Zeit, mein Ohr?
Was würde sich ändern, wenn ich Menschen nicht nach ihrer Stärke, sondern nach ihrem Mut zum Weitermachen bewerte?