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Ethische Überlegungen zur Intervention in Libyen

Dass in Libyen schwerwiegende Verletzungen der Menschenrechte stattfinden und dass eine Verpflichtung der internationalen Gemeinschaft besteht, die bedrohten Menschen zu schützen, ist allgemein anerkannt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die laufende militärische Intervention  in dieser Form schon einfach ethisch legitim ist. Es bleiben wichtige Fragen offen...
 
von Werner Freistetter   
Freitag, 1. April 2011 

Die Vereinten Nationen verbieten ihren Mitgliedsstaaten jegliche militärische Angriffe. Ausgenommen sind Maßnahmen des Sicherheitsrats bei einer Verletzung dieses Angriffsverbots oder bei einer Gefährdung des Weltfriedens. Maßnahmen bei innerstaatlichen Konflikten sind in der UN-Charta nicht ausdrücklich vorgesehen. Besonders nach dem Ende des Kalten Krieges wurde die Frage immer drängender, wie die internationale Staatengemeinschaft auf Konflikte mit massiver Verletzung von Menschenrechten innerhalb eines Staates reagieren soll. Heute ist allgemein anerkannt, dass in solchen Fällen die internationale Gemeinschaft das Recht und die Pflicht hat einzuschreiten, um weitere Verletzungen der Menschenrechte zu verhindern. Eine überzeugende ethische Grundlage dafür ist das Konzept der „Verantwortung zu schützen“ (Responsibility to protect), das sich auch in UN-Dokumenten findet. Jeder Staat hat die Pflicht, seine eigene Bevölkerung zu schützen. Kann oder will er dieser Verpflichtung nicht nachkommen, ist die internationale Gemeinschaft berechtigt und verpflichtet, Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung zu ergreifen. Militärische Gewalt darf jedoch nur im äußersten Fall und zur Verhinderung schwerer und andauernder Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden, bei Völkermord, massiven Vertreibungen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
 
Auch die Resolution 1973/2011 des UN-Sicherheitsrats zu Libyen bezieht sich auf die „Verantwortung zu schützen“. Der Sicherheitsrat weist auf die Verpflichtung des Staates zum Schutz der eigenen Bevölkerung  hin. Er stellt fest, dass schwerwiegende systematische Menschenrechtsverletzungen stattfinden. Die Angriffe auf die Zivilbevölkerung könnten als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft werden. Deshalb ermächtigt der Sicherheitsrat die UN-Mitgliedsstaaten „alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, … um von Angriffen bedrohte Zivilpersonen und von der Zivilbevölkerung bewohnte Gebiete“ in Libyen zu schützen. Damit sind auch militärische Einsätze völkerrechtlich legitimiert. Als konkrete Maßnahmen sind eine Flugverbotszone, ein Waffenembargo, ein Flugverbot für libysche Flugzeuge und das Einfrieren von Konten vorgesehen, aber keine Besetzung libyschen Territoriums. Dahinter steht auch die politische Hoffnung, die Demokratiebewegung in den arabischen Ländern unterstützen zu können.
 
Dass in Libyen schwerwiegende Verletzungen der Menschenrechte stattfinden und dass eine Verpflichtung der internationalen Gemeinschaft besteht, die bedrohten Menschen zu schützen, ist allgemein anerkannt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die laufende militärische Intervention  in dieser Form schon einfach ethisch legitim ist. Es bleiben wichtige Fragen offen: Sind die Maßnahmen tatsächlich geeignet, die Zivilbevölkerung wirksam zu schützen? Dieser Schutz muss jedenfalls oberste Priorität haben. Kann auf diesem Weg eine gerechte politische Lösung in absehbarer Zeit erreicht werden und wie soll eine solche Lösung aussehen? Es ist auch darauf zu achten, dass die Staaten, die sich an der Intervention beteiligen, nicht in erster Linie eigene Interessen verfolgen oder sich von Konfliktparteien instrumentalisieren lassen. Offen ist auch die Frage eines möglichen Ausstiegs für den Fall, dass die Luftschläge nicht den erwünschten Erfolg zeigen. Auch die Möglichkeit, eine Verhandlungslösung zu finden, muss offen gehalten werden. Militärische Mittel dürfen in jedem Fall nur dann zum Zug kommen, wenn keine andere Möglichkeit mehr zur Verfügung steht.