Die Leere des Herzens vieler innerlich längst abgefallener Katholiken, die überall zu beobachtenden religiösen Ersatzformen, die an die Stelle echter religiöser Praxis getreten sind und der vage Spiritualismus sprechen indes eine beredte Sprache. Sie liefern uns in aller Deutlichkeit den Wahrheitsbeweis für die Heilandsworte unseres Festtagsevangeliums: „Ohne mich könnt ihr nichts tun!“ Zu den vordringlichsten Aufgaben des Priesters gehört es daher heute, einem derartigen Abdriften entgegenzuwirken und wahre Glaubenszeugen – Martyrer also – zu sein, die den Menschen immer wieder die Grundwahrheiten ins Gedächtnis rufen:
1. Es ist ein Gott.
2. Gott ist ein gerechter Richter, der das Gute belohnt und das Böse bestraft.
3. In Gott sind drei Personen: Der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. (Wir beten also nicht alle den gleichen Gott an!)
4. Der Sohn Gottes ist Mensch geworden, damit er uns durch seinen Tod am Kreuze erlöse und ewig selig mache.
5. Die Seele des Menschen ist unsterblich.
6. Ohne die Gnade Gottes können wir nicht selig werden.
Das, und nichts anderes, zu verkünden, hochwürdiger Herr Primiziant, ist unsere Aufgabe als Priester, ob man es hören will, oder nicht! Der Hl. Norbert von Xanten (+1134) kann daher mit Recht fragen:
„O sacerdos, quis es tu?,
Wer bist du, o Priester?
um die Antwort zu geben:
„Du stammst nicht aus dir selber, du bist aus dem Nichts gerufen.
Du kannst dich nicht selber als Ziel betrachten, du bist ja ein Mittler auf Gott hin.
Du gehörst nicht dir selber, denn du bist der Kirche vermählt, ihr gehörst du an.
Du kannst dich nicht um deine Sache kümmern, denn du bist der Knecht aller.
Du darfst dir nicht selber genügen, denn du bist der Diener Gottes.
Wer bist du also?
Nichts und Alles!
O Priester!“
Wir Priester sind in der Tat ein Nichts, wenn wir uns vom ewigen Hohenpriester trennen, und unsere eigenen Wege gehen,
wenn wir anstelle der geoffenbarten Wahrheiten unsere eigenen Ideen verkünden, um den Ohren schmeicheln,
wenn wir an die Stelle der göttlichen Liturgie das selbstgemachte, platte Produkt des Augenblicks setzen.
Bedenken wir, dass der Heiland im heutigen Evangelium nicht sagt, „ohne mich könnt ihr nur wenig tun“, sondern „ohne mich könnt ihr nichts tun!“
Umgekehrt ist der Priester alles, wenn durch ihn Christus lehrt, betet, segnet und opfert! Wer in ihm bleibt, der bringt reiche Frucht, der kann jede für das Heil notwendige Gnade erbitten, und er wird sie auch erhalten!
Papst Pius XII. schreibt daher in seiner herrlichen Liturgieenzyklika „Mediator Dei“, dass das Hochziel des christlichen Lebens im engen und dauernden Anschluss des Einzelnen an Gott liege. Darum muss zuvorderst der Priester und Gottgeweihte die Mahnung des Heilands zum immerwährenden Gebet beherzigen, wie es auch der hl. Benedikt in seiner Ordensregel zum Ausdruck bringt: „Orationi nihil omnino anteponatur, dem Gebet und dem Gottesdienst soll nichts vorgezogen werden“.
Gerade in den vor uns liegenden Bittagen ruft uns die Kirche mehr als sonst zum inständigen Gebet auf, zum Gebet um den Heiligen Geist, den der Herr uns versprochen hat. Der Gottesgeist ist es, der uns bei der Vollendung des Werkes Christi erleuchtet, stärkt und führt. Schauen wir auf den heiligen Petrus, wie er auf einmal alle Furcht verliert, mitten in Jerusalem auftritt und den Glauben an Christus predigt. Die Stimme der Zwölf dringt bis ans Ende der Welt, und binnen wenigen Jahren bekennen sich Tausende zu Christus. Dieses Wunder, das Gott auch heute durch den Dienst der Kirche erneuern will und an dem wir als Priester mitarbeiten dürfen, ist das sichtbare Werk des Heiligen Geistes.
Durch den Gottesgeist hat die Kirche trotz aller Verfolgungen, trotz aller Glaubenskämpfe, trotz der Treulosigkeiten ihrer eigenen Söhne und Töchter überlebt und wunderbar gesiegt. Sie schreitet durch die Jahrhunderte, voll Zuversicht kraft ihrer Vorzüge, die unwiderlegliche Beweise für ihren göttlichen Ursprung sind. Durch ihren Glauben und ihre Verbindung mit dem Throne Petri ist sie immer einig; sie heiligt zu allen Zeiten ihre Glieder durch die ihr verliehene Kraft; sie hat das Recht, die ganze Menschheit in ihrer Hürde zu umhegen; gestützt auf das Fundament der Apostel ist sie unerschütterlich. Die eine, heilige, katholische, apostolische und römische Kirche ist göttlich und irdisch zugleich; sie wird bekämpft, ist von Gefahren umgeben, doch sie hält stand, sie schreitet voran bleibt sich selber stets gleich in ihrer göttlichen Verfassung, unverletzlich in ihrem Glauben und unaufhörlich belebt vom Heiligen Geist.
Hochwürdiger Herr Primiziant!
Vergiss nie, dass das unauslöschliche Siegel des Heiligen Geistes deiner Seele bei der Priesterweihe eingeprägt worden ist. Daraus erwächst uns bei der Erfüllung unserer Amtspflichten ein besonderes Anrecht auf den ständigen Beistand des Heiligen Geistes. Wenn wir jeden Morgen voll Glauben unsere geweihten Hände zum Himmel erheben, um die uns Anvertrauten zu segnen, für sie zu beten und für Lebende und Verstorbene das heilige Opfer darzubringen, dann können wir Gott unsere Seele zeigen, die mit dem Siegel des ewigen Hohenpriesters gezeichnet ist. Dann wird unser Segen, Gebet und Opfer zum Segen, Gebet und Opfer des Erlösers, dann wird es wahr, was der heilige Paulus sagt: Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt und handelt in mir und durch mich.
Die Gabe des Heiligen Geistes wird auch uns die Tapferkeit der Martyrer verleihen, die uns befähigt, uns jeden Tag aufs Neue Gott hinzuopfern, wie Opfergaben, die ganz seinem Willen ausgeliefert sind, auch wenn er Schwerstes von uns fordert.
Der heilige Paulus erinnert uns gerade als Priester am Schluss der heutigen Epistel an die unumgängliche Notwendigkeit, das Kreuz in allen seinen Formen anzunehmen, wenn er schreibt: Alle, die in Christus fromm leben wollen, werden Verfolgung leiden. Das Kreuz ist damit für alle, die ihm nachfolgen und dienen wollen, das Echtheitszertifikat ihrer Sendung: Verfolgung, Verkennung, Demütigungen, Enttäuschungen und Verleumdungen, vielfach das unblutige und vielleicht sogar das blutige Martyrium gehören notwendigerweise zum Leben des Christen, und es müsste gerade uns als Priester besorgt machen, wenn es bei uns anders wäre.
Aber über allen Prüfungen und Ölbergstunden des Priesterlebens steht das sieghafte „Memor esto!“, der heutigen Epistel, „denke daran, dass unser Herr Jesus Christus von den Toten auferstanden ist“, dass alle Mühen, die wir mit ihm tragen für das ewige Heil der uns anvertrauten Seelen notwendig sind. Doch auf allen unseren Kreuzwegen geht der Auferstandene mit uns! Dieser Glaube aus der Kraft der Auferstehung ließ den heiligen Georg das Martyrium bestehen, diese Todesverachtung der Blutzeugen Christi bekehrte die Ungläubigen, er beflügelt die ganze Heerschar des Christkönigs, er möge auch Dein ganzes Priesterleben über alle Höhen und Tiefen hinweg begleiten und vollenden.
Andächtige Christgläubige im Herrn!
Wenn wir jetzt unseren lieben Neupriester am Altare sehen, dann fragen wir nicht mehr wie der hl. Norbert: „Wer bist Du?“, denn wir wissen es jetzt, wer er ist. Der katholische Priester ist der Berufene Gottes, der Mann, den Gott gesandt hat. Er ist der Diener der Menschen, ihr Führer auf dem Pilgerweg des Lebens. Er ist der vertraute Freund des göttlichen Heilands. Das ist die dreifache Berufung des katholischen Priesters, auch unseres Primizianten. O dass er ihr gerecht werde und bis zum letzten Schlag des Herzens treu bleibe! So wollen wir bei seinem Erstlingsopfer in unserem Gotteshaus betend die Hände falten und mit Maria, der Priesterkönigin, ihren auferstandenen Sohn, den Freund der Priester, anflehen:
O Jesus, der Du im Allerheiligsten Sakramente zugegen bist:
durch Deine Priester wolltest Du Deine Gegenwart unter uns für immer gewährleisten;
bewirke, dass ihre Worte immer nur die Deinen seien,
dass ihr Leben Dein Leben treu widerspiegelt.
Mögen sie, wenn sie mit Gott sprechen, zu ihm von den Menschen reden,
und wenn sie mit den Menschen sprechen,
zu ihnen von Gott reden.
Mögen sie keine Furcht davor haben, so zu dienen,
wie die Kirche es von ihnen erwünscht.
Mögen sie Menschen sein, die in dieser Zeit als Zeugen der Ewigkeit auftreten.
Mögen sie ihren Verpflichtungen gegenüber treu sein,
ihre eigene Identität klar nach außen darstellen
und in der Freude der empfangenen Gnade leben.
Und Du, Mutter der Priester, die Du Deinem Sohn im Leben und im Sterben zur Seite standest, stehe auch unserem Neupriester und der ganzen Kirche mit Deiner mächtigen Fürsprache zur Seite, jetzt, und in der Stunde unseres Absterbens, damit Jesus unsere Kraft, unser Glück und unser Trost im Leben sei und dermaleinst unser ewiger Lohn im Himmel.
Amen.