1.
Angesichts so vieler Kranker in Lourdes kommt den meisten Gesunden als erster Gedanke, für ihre Gesundheit zu danken. Ein weiterer Schritt lässt uns fragen: Was sagt mir der Kranke? Gilt, was uns beispielsweise die Medien und insbesondere die Werbung suggerieren – nur jung, dynamisch, gesund, mobil, äußerlich perfekt, schön = glücklich? Dann sind alle, die diesem Bild nicht entsprechen zu bedauern.
Erfährt unser scheinbar abgesichertes Leben eine Erschütterung, dann stehen viele angesichts (schwerer oder gar unheilbarer) Krankheit oder gar angesichts des Todes vor der Krise schlechthin. Wenn sie der "Schicksalsschlag“ trifft stehen sie vor der Alternative, das Leben wegzuwerfen, abzudrehen ... oder den langsamen oder schwierigen Weg in die "Verinnerlichung“ zu gehen. Was aber nie eingeübt wurde fällt schwer, ja ist in der Krise fast unmöglich zu bewältigen. Wer den Weg, den uns die Kranken lehren nie gegangen ist oder wenigstens ein Stück weit mitzugehen versucht hat, ist an seinem Leben (zu dem die Ruhe und Stille, das Warten und Erduldenkönnen, das Altern, das Scheitern und vielerlei Fesseln, das Bruchstückhafte und Unvollkommene, das Hässliche und die belastende Schuld etc. ...dazu gehören) vorbeigegangen.
Schließlich noch eine letzte Frage: Was sagen uns die Kranken angesichts des Glaubens, wenn ich den leidenden Menschen zu Füßen des Kreuzes betrachte? Hierauf eine vorschnelle Antwort zu versuchen scheint mir vermessen zu sein, sodass ich jeden einlade, eine zeitlang im Schweigen dort unter dem Kreuz oder betrachtend am Kreuzweg zu verharren.
2.
LOURDES heißt ... eine Wallfahrt nach INNENDas Wort des Theologen Karl Rahner vom Christen der Zukunft als mystischen (oder er wird aufhören zu sein) gilt für jeden von uns.
Erfahrungshunger ist sicherlich ein Kennzeichen unserer Zeit und eine der größten Sehnsüchte ist, etwas Neues zu erleben. Nun richtet der Großteil der Menschen seine erste Wahl nach außen hin (immer mehr, immer weiter, immer exaltierter – lautet die Devise) und sucht im äußeren Erlebnis Befriedigung seiner Existenzfrage (wobei die Erfahrung von Sinn dabei nicht einmal angekratzt wird). Nur zu gut wissen wir aber, dass die wahren Abenteuer sich im Kopf abspielen, die tiefsten Erfahrungen jenseits des Sinnlichen (das nur als Stimulus dient) liegen. Der Ab- oder Einstieg in die Innenwelt – in den Glauben entleert, vereinfacht und intensiviert, lehrt uns aber auch besser auskosten und ausschmecken zu können.
Mystik ist also nicht das Schlagwort einer Modeströmung in der Kirche und auch nicht das bloße Heilmittel auf die Krankheit der Zeit sondern ist dem Christentum so eigen wie die rechte Hand, die empfängt, damit die linke geben, handeln kann.
Mystik und Politik, actio und contemplatio verbünden sich im Christentum wie Gott und Mensch. Was wäre das für eine amputierte Christenheit, die ihre erste Liebe vergessen hat, den sich offenbarenden, unauslotbaren Gott.
Welche Tiefe und Mystik kündet sich in Lourdes an, wenn wir die Ursymbole betrachten, die uns hier ständig begegnen: Wasser, Licht,... - Ohne Glaube kein Heil, ohne Mystik keine Heilung des Leibes und der Seele.
3.
LOURDES heißt ... aus der Betrachtung der Ursymbole von Wasser und Licht lernen, dass CHRISTUS die Quelle des Lebens ist, dass er die Sonne ist, die alles im neuen Licht erscheinen lässt.Entlang der Gave, des großen Flusses, suchte das Mädchen Bernadette Holz. Dort, nahe dem Fluss forderte sie die "schöne Dame“ auf, nach einer Quelle zu graben, die für so viele Wasser des Lebens spendet, Symbol für das Heil und Realität des Heiles wurde, Glaubensquelle ist.
Etwas bedauernd meinte der französische Militärbischof, dass in Lourdes all die Gaststätten mehr frequentiert sind als die Grotte und dem Bier mehr zugesprochen wird als dem Wasser der Quelle. Nun gehört zu Soldatenwallfahrt auch die kameradschaftliche Verbrüderung dazu, aber zu wirklichen Brüdern und Schwestern im Glauben werden wir erst dadurch, dass wir zurückkehren zur Gnadenquelle, von der eine Welle der Freude sich ausbreitet. Christus ist die Quelle des Lebens, heißt unsere Devise unser "Fahneneid“ des Glaubens. Zu ihm hin wollen wir uns auf den Weg machen, mit brennenden Kerzen in den Händen, das Licht des Glaubens neu entzünden und weitergehen, in Prozessionen – dorthin zurückkehren, wo die Gottesmutter auf einzigartige Weise auf jenen Quell des Lebens gewiesen hat, der alle und jeden und in jeder Situation des Lebens (Krankheit, Verzweiflung, Krise, Schuld, Suche nach Sinn) helfen, heilen, glückselig machen kann.
Msgr. Dr. Franz Fahrner, MilGenVik