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Fastentücher: Eine alte Tradition in der Kirche

Das Fastentuch in der St. Georgs-Kathedrale Das Fastentuch in der St. Georgs-Kathedrale Bild: Hilmar J. Grutschnig / ÖA

In der Fastenzeit bietet sich in vielen Kirchen ein besonderes Bild: Altar und bildliche Darstellungen Jesu werden hinter kunstvoll gestalteten Tüchern verborgen. Doch was steckt hinter dieser Tradition? Wo liegen ihre Ursprünge, und welche Bedeutung hat die Verhüllung für die Gläubigen?

Ursprung und Bedeutung eines alten Brauchs

Die Tradition der Fastentücher reicht bis ins Mittelalter zurück. Während der Passionszeit werden sie genutzt, um Altar und Heiligendarstellungen zu verhüllen. Diese Praxis soll den Fokus der Gläubigen auf das Wort Gottes lenken und die Besinnung auf das Wesentliche stärken.

Der Ursprung dieser Sitte lässt sich möglicherweise auf den Tempelvorhang im Judentum zurückführen, der laut biblischer Überlieferung beim Tod Jesu zerriss. Erste Erwähnungen von Fastentüchern finden sich bereits im 9. Jahrhundert. Traditionell wurden sie im Chorbogen vor dem Hauptaltar aufgehängt, oft zweigeteilt, um sie zur Seite schieben zu können.

Wann und wie werden Fastentücher angebracht?

Die Fastentücher werden üblicherweise am Aschermittwoch aufgehängt und bleiben bis zum Karsamstag an ihrem Platz. Daher rührt auch ihr lateinischer Name velum quadragesimale („Tuch der 40 Tage“) oder velum templi („Tempelvorhang“). In manchen Gemeinden erfolgt die Anbringung erst wenige Wochen vor Ostern.

Im Mittelalter war es Brauch, das Fastentuch an den Sonntagen der Fastenzeit vor dem Hauptaltar zu öffnen, während es an den Seitenaltären weiterhin geschlossen blieb. Spätestens am Passionssonntag, dem fünften Sonntag der Fastenzeit, werden in vielen Kirchen auch Kreuze und Heiligenstatuen mit violetten Tüchern verhüllt. Zudem werden die Flügel von Triptychen und anderen Wandelaltären geschlossen, sodass deren schlichtere Rückseiten sichtbar werden.

Warum verhüllt man das Kreuz?

Das Verhüllen des Kreuzes dient dazu, die Dramatik der kommenden Osterfeierlichkeiten zu steigern. Mit der Abnahme des Fastentuchs in der Osternacht wird symbolisiert, dass Christus nun unverhüllt in seiner göttlichen Herrlichkeit erstrahlt. Es ist ein Zeichen dafür, dass er den Menschen den Himmel geöffnet hat.

Die spirituelle Dimension der Fastentücher

Ursprünglich war die Verhüllung des Altars auch als Bußübung gedacht. Die optische Trennung sollte den Gläubigen bewusst machen, dass sie nur durch Hören am Gottesdienst teilnehmen konnten – ein Fasten mit den Augen. Hier liegt auch die Herkunft der Redewendung am Hungertuch nagen: Neben der materiellen Armut bezog sie sich auf die spirituelle Entbehrung der optischen Gotteserfahrung.

Die Symbolik des Fastentuchs verweist auch auf den zerrissenen Tempelvorhang zur Zeit Jesu. Dessen Zerreißen wird als Zeichen der Befreiung von Tod und Sünde gedeutet – ein zentrales Motiv der christlichen Osterbotschaft. So ist das Fastentuch weit mehr als eine bloße Tradition: Es ist eine Einladung zur inneren Einkehr und zur bewussten Vorbereitung auf das Osterfest.