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Hildegard von Bingen: Eine Pionierin ihrer Zeit

Hildegard von Bingen: Eine Pionierin ihrer Zeit Bild: Hilmar J. Grutschnig / ÖA

Die Heilige Hildegard von Bingen ist eine der bemerkenswertesten Frauen des Mittelalters. Sie war Mystikerin, Theologin, Naturheilkundige und Komponistin. Bis heute inspiriert ihr Werk zahlreiche Menschen, und ihr Leben hat sowohl spirituelle als auch wissenschaftliche Spuren hinterlassen. Am 17. September wird weltweit ihrer gedacht – eine Gelegenheit, die vielen Facetten dieser außergewöhnlichen Frau neu zu beleuchten.

Eine Kindheit im Kloster

Hildegard wurde 1098 im heutigen Rheinland-Pfalz als zehntes Kind einer adeligen Familie geboren. In dieser Zeit war es nicht unüblich, ein Kind Gott zu weihen. So wurde auch Hildegard schon als junges Mädchen in die Obhut des Benediktinerklosters Disibodenberg gegeben, wo sie unter der Anleitung von Jutta von Sponheim aufwuchs. Dort erhielt sie eine umfassende Bildung in den Bereichen Theologie, Heilkunst und Musik, die sie auf ihr späteres Wirken vorbereitete. Schon früh berichtete sie von mystischen Visionen, die sie ihr ganzes Leben lang begleiten sollten.

Der Auftrag: Hildegards Visionen

Ein Wendepunkt in ihrem Leben ereignete sich im Jahr 1141, als sie eine kraftvolle Vision empfing, die sie dazu aufforderte, ihre mystischen Erlebnisse niederzuschreiben. Anfangs war sie unsicher und zögerte, doch schließlich begann sie mit der Niederschrift ihrer Visionen in dem Werk "Scivias" („Wisse die Wege“). Darin beschreibt sie den göttlichen Auftrag, den sie empfangen hatte, und erzählt von ihren Einblicken in die Schöpfungsgeschichte und das Heilsgeschehen.

Ihre Visionen, gepaart mit tiefen theologischen Überlegungen, fanden schnell Gehör – auch bei der Kirchenführung. Papst Eugen III. erkannte ihre Schriften als von Gott inspiriert an, was Hildegard das Vertrauen und die Freiheit gab, ihre Lehren weiter zu verbreiten.

Die Gründung eines eigenen Klosters

Nach dieser päpstlichen Anerkennung setzte Hildegard einen bedeutenden Schritt: Sie gründete ein eigenes Kloster auf dem Rupertsberg bei Bingen. Hier entwickelte sie sich zur Universalgelehrten und verwirklichte ihre Vision eines spirituellen und intellektuellen Zentrums für Frauen. Sie nahm ihre Schwestern mit auf eine Reise zu geistiger Selbstständigkeit, bot aber auch weltlichen Menschen Rat in spirituellen und praktischen Fragen.

Der Begriff der „viriditas“, der „Grünkraft“, prägte viele ihrer Schriften. Für Hildegard war dies das Prinzip des Lebens selbst – die grüne, fruchtbare Energie, die alles in der Schöpfung durchdringt und belebt. Ihre Naturbeobachtungen und das Wissen um Heilpflanzen flossen in medizinische Schriften und Ernährungspläne ein, die den Menschen lehrten, Körper und Seele im Einklang zu halten.

Kritische Mahnerin und Beraterin der Mächtigen

Hildegard genoss nicht nur hohes Ansehen bei den Ordensschwestern und Gelehrten, sondern auch bei den Mächtigen ihrer Zeit. Ihre Korrespondenz mit Fürsten, Bischöfen und sogar Kaisern zeigt, wie mutig sie selbst Herrscher ermahnte. Ein berühmtes Beispiel ist ihr Brief an Friedrich Barbarossa, in dem sie ihn vor dem Missbrauch seiner Macht warnte. Trotz ihrer eindringlichen Worte wurde sie unter seinen persönlichen Schutz gestellt, was ihr große Freiheiten verschaffte.

Neben politischen Mahnungen sprach sie auch über ethische und kosmologische Fragen und setzte sich für den Schutz der Schöpfung ein – lange bevor Umweltschutz ein Thema war. Sie verstand die Erde als ein empfindliches System, das durch menschliches Handeln bewahrt werden muss.

Musik als spirituelle Brücke

Ein weiterer bedeutender Aspekt von Hildegards Wirken war die Musik. Sie komponierte zahlreiche geistliche Gesänge und Hymnen, die das Göttliche durch Klang erfahrbar machen sollten. In ihrer Musik sah sie eine Erinnerung an das verlorene Paradies, eine spirituelle Verbindung zwischen Himmel und Erde. Obwohl ihre Kompositionen nach ihrem Tod lange in Vergessenheit gerieten, wurden sie im späten 20. Jahrhundert neu entdeckt und erfreuen sich heute großer Beliebtheit.

Letzte Jahre und Vermächtnis

Die letzten Jahre ihres Lebens waren von einem Konflikt mit der Kirche geprägt. Hildegard ließ einen exkommunizierten Mann in ihrem Kloster bestatten, was zu einem Kirchenbann führte. Ihr standhafter Widerstand führte letztlich dazu, dass der Bann aufgehoben wurde. Kurz danach, im Jahr 1179, verstarb sie im Alter von 81 Jahren.

Trotz dieser schwierigen Zeiten hinterließ Hildegard ein reiches Vermächtnis. Ihr Wirken, das sich auf die Bereiche Theologie, Naturheilkunde, Musik und Politik erstreckte, beeindruckt bis heute. 2012 wurde sie von Papst Benedikt XVI. zur Kirchenlehrerin ernannt, eine seltene Ehre, die nur wenigen Frauen zuteilwird. Zudem wird seit 2021 der 17. September als ihr weltweiter Gedenktag in der katholischen Kirche gefeiert.

Hildegards Bedeutung heute

Hildegard von Bingen war eine außergewöhnliche Frau, die ihre Zeit weit hinter sich ließ. Ihr ganzheitlicher Blick auf das Leben, ihre unerschrockenen Mahnungen an die Mächtigen und ihre spirituelle Tiefe machen sie zu einer zeitlosen Figur. Besonders ihre Verbindung von spirituellem Wissen und Naturheilkunde sowie ihre Vision von einer harmonischen Schöpfung sind auch heute noch relevant. Hildegards Leben und Werk zeigen, wie sich Glaube und Vernunft, Spiritualität und Wissenschaft miteinander verbinden lassen – eine Botschaft, die auch im 21. Jahrhundert aktueller denn je ist.