Franz von Assisi, der am 4. Oktober in der katholischen Kirche gefeiert wird, ist weit mehr als nur eine historische Figur. Seine Botschaften und sein Lebensstil haben eine nachhaltige Bedeutung, die weit über religiöse und konfessionelle Grenzen hinausreicht. Heute, in einer Zeit wachsender sozialer Ungleichheiten und globaler Umweltkrisen, ist er eine Symbolfigur für ein Leben im Einklang mit der Natur und den Mitmenschen. Seine Werte sind nicht nur in spiritueller Hinsicht aktuell, sondern auch in der modernen Debatte über soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz.
Der Weg des „kleinen Franzosen“
Franz von Assisi, geboren als Giovanni Bernardone um 1181 im italienischen Assisi, wuchs als Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns in einer privilegierten Umgebung auf. Seine Mutter, eine gebürtige Französin, und sein Vater, der eine besondere Vorliebe für Frankreich hatte, gaben ihm den Spitznamen „Francesco“, den kleinen Franzosen. Zunächst führte Franz ein Leben im Luxus, geprägt von den Idealen des Rittertums. Doch eine einschneidende Lebenswende kam, als er 1205 in Apulien als Soldat schwer verwundet wurde und eine tiefgreifende spirituelle Erfahrung machte. Bei einem Gebet in der verfallenen Kirche San Damiano in Assisi hörte er die Stimme Christi: „Franziskus, geh und baue mein Haus wieder auf.“
Diese Worte verstand Franziskus zunächst buchstäblich, indem er versuchte, die Kirche wiederaufzubauen. Doch bald erkannte er, dass die Botschaft tiefer ging: Es war ein Aufruf zur Erneuerung des Glaubens und zu einem radikalen Lebensstil, der auf Bescheidenheit, Armut und der Liebe zur Schöpfung basierte. Diese Erkenntnis führte ihn zu einer radikalen Abkehr von allem Materiellen.
Radikale Armut als Kritik am gesellschaftlichen Wohlstand
In einer Zeit sozialer Umbrüche, in der die Städte wuchsen und die Gesellschaft immer stärker auseinanderdriftete, wurde Franziskus zum Vorbild einer neuen Art des Lebens. Während viele religiöse Bewegungen dieser Zeit die Ungleichheit und den Wohlstand der Kirche kritisierten, war Franziskus einzigartig in seiner bedingungslosen Treue zur kirchlichen Hierarchie. Er lehnte die etablierten Formen des Ordenslebens ab und wählte einen radikal evangelischen Weg: ein Leben als predigender Bettler, das die Armut und das Leben Jesu nachahmte.
Seine Botschaft war einfach, aber kraftvoll: Ein Leben in Armut, im Dienste der Armen und im Einklang mit der Schöpfung ist der Weg zu einem wahrhaft christlichen Dasein. Diese radikale Entscheidung führte zu einem Bruch mit seiner Familie und brachte ihm viele Anhänger ein. Mit der Zeit entstand die Bruderschaft der „Minderbrüder“ – der Franziskanerorden.
Franz von Assisi: Ein Vorbild für den Umweltschutz
Franziskus' tiefe Verbindung zur Natur machte ihn zu einer der zentralen Figuren der Umweltbewegung, lange bevor der Begriff „Umweltschutz“ überhaupt existierte. Bereits 1980 wurde er von Papst Johannes Paul II. zum Patron des Umweltschutzes erklärt. Seine Sichtweise, dass alle Geschöpfe – Tiere, Pflanzen, Erde und Wasser – Teil von Gottes Schöpfung sind und daher mit Würde und Respekt behandelt werden müssen, hat bis heute Gültigkeit.
In einer Welt, die zunehmend von Umweltzerstörung und Klimakrise bedroht ist, hat Franziskus' Botschaft eine neue Dringlichkeit erhalten. Auch Papst Franziskus, der als erster Papst den Namen des Heiligen von Assisi trägt, greift dessen Lehren in seiner Enzyklika Laudato Si’ auf. Darin fordert er eine „ganzheitliche Ökologie“, die nicht nur die Umwelt, sondern auch die sozialen und wirtschaftlichen Ungerechtigkeiten adressiert. Der Heilige Franz ist damit zu einem wichtigen Symbol für den Schutz der Schöpfung und die Erneuerung der Kirche geworden.
Ein Heiliger, der heute noch inspiriert
Franz von Assisi ist nicht nur eine historische Figur, sondern auch eine Quelle der Inspiration für viele Menschen, die nach einem authentischen und spirituellen Leben suchen. Sein Leben und Wirken erinnern uns daran, dass wahres Glück nicht im materiellen Reichtum liegt, sondern in der Liebe zu den Mitmenschen, zur Natur und zu Gott.
Besonders in einer Zeit, in der Fragen der sozialen Gerechtigkeit und des Klimaschutzes immer drängender werden, bleibt Franziskus ein Vorbild. Seine Botschaft der Einfachheit und des Mitgefühls, sowohl für die Armen als auch für die Umwelt, spricht eine universelle Wahrheit an, die über religiöse Grenzen hinausreicht.
Ein Vorbild für eine neue Welt
Heute, am Gedenktag des Heiligen Franz von Assisi, ist seine Botschaft vielleicht relevanter denn je. Während der Umweltschutz in den Fokus gerückt ist und soziale Ungleichheiten weltweit zunehmen, bietet Franziskus eine Vision für eine Welt, die auf Mitgefühl, Demut und der Wertschätzung aller Geschöpfe basiert. Sein Leben zeigt, dass radikale Veränderungen möglich sind – nicht durch Macht oder Reichtum, sondern durch Einfachheit und Hingabe an die Schöpfung.
Der Welttierschutztag, der am 4. Oktober gefeiert wird, erinnert uns daran, dass Franz von Assisi nicht nur Patron der Tiere, sondern auch der ganzen Schöpfung ist. In seinem Beispiel finden wir die Inspiration, die wir brauchen, um eine gerechtere und nachhaltigere Welt zu schaffen.
Franziskus bleibt eine zeitlose Gestalt, deren Werte und Überzeugungen uns in einer zunehmend komplexen und oft entfremdeten Welt den Weg weisen können. Seine Ausstrahlung, die die Jahrhunderte überdauert hat, zeigt uns, dass wahre Erneuerung nicht von außen kommt, sondern von innen – durch ein Leben im Einklang mit uns selbst, der Natur und den anderen Lebewesen um uns herum.