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Ein Militärseelsorger auf dem Weg zur Heiligsprechung: „The Saint Makers“

The Saint Makers The Saint Makers

Das beschauliche und arbeitsreiche Leben im ländlichen Kansas der Zwischenkriegszeit, die qualvolle Existenz in einem chinesischen Kriegsgefangenenlager während des Koreakriegs, der mühsame und oft langwierige Weg bis zur besonderen Heiligsprechung einzelner Gläubiger und nicht zuletzt die Reflexion auf die eigene Glaubensgeschichte des Autors vor dem Hintergrund der Biographie eines US-amerikanischen Militärseelsorgers und Kriegshelden: Es sind weite Bögen, die Joe Drape, Sportjournalist bei der New York Times, in seinem Buch über Emil Kapaun spannt.

Kapaun war der Sohn tschechischer Einwanderer aus Österreich-Ungarn, die im kleinen Ort Pilsen in Kansas eine Landwirtschaft betrieben. Er fiel durch sehr gute schulische Leistungen, seine Hilfsbereitschaft und ein besonderes Interesse an Liturgie und Glauben auf, sodass sein Pfarrer sich dafür einsetzte, dass er mit finanzieller Unterstützung der Diözese Theologie studieren konnte. 1939 wurde er zum Diakon geweiht, 1940 zum Priester. Als er neben der Seelsorgetätigkeit in seiner Heimatpfarre St. John Nepomucene der Army Air Base in Herington als Auxiliary Chaplain zugeteilt wurde, erkannte er sehr bald, dass darin seine eigentliche Berufung lag. Während des Zweiten Weltkrieg war er bereits als Militärseelsorger in Indien und Burma im Einsatz. Nach Kriegsende absolvierte er auf Wunsch des Bischofs ein weiterführendes Pädagogikstudium, wurde aber auf seine Bitte hin entgegen den ursprünglichen Plänen der Diözesanleitung wieder hauptamtlicher Militärseelsorger und der in Japan stationierten 1st Cavalry Division zugeteilt. Als diese bald darauf im Koreakrieg eingesetzt wurde, erlangte Kapaun durch seinen Mut bei der Bergung von Verwundeten und bei der religiösen Betreuung der meist recht jungen Soldaten an der Front große Bekanntheit weit über seine Einheit hinaus. Als sie während der Schlacht bei Unsan von chinesischen Truppen überwältigt wurde, entschied er sich, bei den Verwundeten zu bleiben und die Gefangenschaft in Kauf zu nehmen. Er rettete u.a. einen verwundeten Kameraden durch massiven Körpereinsatz vor der Exekution und wurde im Lager für die Mitgefangenen – unabhängig davon, welcher Glaubensgemeinschaft sie angehörten – zur zentralen Bezugsperson, die ihnen Zuversicht vermittelte und versuchte, möglichst viele in einer Situation am Leben zu erhalten, in der sie von Hunger, Kälte, Krankheiten und Läusen gepeinigt wurden und das Sterben leichter als das Überleben war. Er setzte sich über Lagervorschriften hinweg, besuchte die Gefangenen regelmäßig in ihren Hütten, feierte Gottesdienste und stahl manchmal auch Lebensmittel von den Bewachern, um sie unter den hungernden Soldaten zu verteilen. Allerdings verschlechterte sich auch sein Gesundheitszustand zusehends, nach ein paar Monaten Gefangenschaft starb er am 23. Mai 1951 an Lungenentzündung.

Immer wieder kommt Drape in seinem Buch auf die biographischen Wurzeln Kapauns in Kansas zu sprechen: die ländlichen Rhythmen, die Kapaun geprägt haben, seine Bescheidenheit, sein Arbeitsethos, die handwerklichen Fähigkeiten, die er sich während der Arbeit auf der väterlichen Farm angeeignet hatte und auf die er als Kriegsgefangener zum Nutzen seiner Kameraden immer wieder zurückgreifen konnte. Die bäuerliche Herkunft verband ihn zudem auch emotional mit vielen einfachen Soldaten aus ähnlichen Verhältnissen.
Als Kapaun 2013 von Barack Obama posthum die höchste militärische Auszeichnung der US-Regierung, die Medal of Honor, verliehen wurde, zeigte sich der US-Präsident berührt von der Persönlichkeit eines Menschen, den er nie getroffen habe, bei dem er aber einen Sinn dafür zu haben meine, was für ein Mann er gewesen sei. Sein eigener Großvater war ungefähr zur selben Zeit ebenfalls in Kansas in einem kleinen Ort in der Nähe von Wichita aufgewachsen und hatte wie Kapaun die Depression überlebt, im Zweiten Weltkrieg gedient und die „heartland values of honesty and hard work, decency and humility“ verkörpert. (129)
Auch der Priester John Hotze, der als bischöflicher Beauftragter die diözesane Untersuchung zu Emil Kapauns möglicher Selig- bzw. Heiligsprechung durchführte und deshalb heute als bester Kapaun-Kenner gilt, ist mit der Lebenswelt der Menschen in den ländlichen Gebieten von Kansas eng verbunden. Wie Kapaun wurde er nach der Priesterweihe zunächst in seiner eigenen Heimatpfarre in Wichita eingesetzt, dann in Kapauns Pfarre St. John Nepomucene. Als er nach dem kirchenrechtlichen Lizenziat und anschließender Pfarrtätigkeit in einer Kleinstadt in Kansas von seinem neuen Diözesanbischof Thomas Olmsted mit der Untersuchung beauftragt wurde, war er zunächst skeptisch angesichts der Heldengeschichten, die man sich über den beliebten Militärseelsorger erzählte und von denen er nicht wenige bereits kannte. Er sah seine Aufgabe vor allem darin, durch penible Recherchen Hindernisse für die Heiligsprechung zu finden, und rechnete mit einem baldigen Ende seiner Beauftragung. Zu seiner Überraschung fand er im Lauf der Untersuchung nichts dergleichen: Die Geschichten, die während und unmittelbar nach dem Koreakrieg über Kapaun erzählt wurden, deckten sich weitgehend mit seinen Recherchen und den umfangreichen Aussagen der Zeitzeugen, die er ausfindig machen konnte. Seine über 8000 Seiten umfassende Dokumentation konnte er 2011 an die entsprechenden vatikanischen Stellen übergeben. Der Fall ist nach wie vor offen, es liegen Berichte von drei möglichen Wundern vor.
Es passt gut zum Charakter des Buches, dass sein Autor, Joe Drape, auch über seinen persönlichen Zugang zu Emil Kapaun und christlichem Glauben im Allgemeinen erzählt. Auch Drape ist Katholik mit biographischen Wurzeln in Kansas: Geboren und aufgewachsen in Kansas City besuchte er mit Rockhurst Highschool eine von Jesuiten betriebene katholische Schule und erwarb einen Bachelor in Englisch an der Southern Methodist University. Von daher ist sein persönlicher Zugang zu kirchlichen und theologischen Fragen nicht verwunderlich. Drape deutet zudem an, dass er sich mit seiner Familie auch an seinem aktuellen Wohnsitz in New York am Leben der dortigen Pfarre beteiligt und nie aufgehört hat, sich als Christ und Katholik zu verstehen. Die Beschäftigung mit Kapaun und den Heiligen der Kirche hat ihn aber offenbar dazu angeregt, seine Glaubensgeschichte zu reflektieren, intensiver nach dem Kern der christlichen Botschaft zu fragen und einen persönlichen Zugang zum direkten Gebet zu Gott zu suchen: So habe ihn also ein „war hero“ zu einer „journey of faith“ inspiriert, auf die er seine Leser elegant und informativ mitzunehmen vermag.

Joe Drape: The Saint Makers. Inside the Catholic Church and How a War Hero Inspired a Journey of Faith, New York 2022, 248 Seiten, Sprache: Englisch

Buchnummer MBBA: 21592

 

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