Wir verwenden Cookies, um unsere Webseite für Sie möglichst benutzerfreundlich zu gestalten.
Wenn Sie fortfahren, nehmen wir an, dass Sie mit der Verwendung von Cookies auf den Webseiten von mildioz.at einverstanden sind.

 

Militärseelsorge: "Armee, Sonntagsheiligung und Militärseelsorge"

Friede - Gerechtigkeit - Gottvertrauen Friede - Gerechtigkeit - Gottvertrauen

Sind die Maßnahmen der Armee zur Sicherung der freien Religionsausübung während des militärischen Dienstes ausreichend, und welche Bedeutung werden Moral und christliche Religion in der Armee eines christlich geprägten demokratischen Staat zwischen den beiden Weltkriegen eingeräumt? Der Schweizer Offiziers F.X. Weissenrieder hat dazu 1935 eine scharfsichtige und beihnahe kurzweilig zu lesende kleine Abhandlung geschrieben, die zunächst eine Antwort auf einen Leitartikel der Rheintalischen Volkszeitung sowie auf eine auch von vielen Offizieren und Priestern unterzeichnete Volkspetition darstellt.

Diese hatte gefordert, dass die Schweizer Armee, die in dieser Hinsicht zu wenig Interesse zeige, die Sonntagsheiligung und die Gelegenheit zum sonntäglichen Gottesdienst garantiere. Weissenrieder erkennt in der Begründung seines ablehnenden Standpunkts ihren guten Willen an, zeigt aber anhand der gesetzlichen Bestimmungen auf, dass beides sowohl im alten und noch mehr im neuen, seit 1932 geltenden Dienstreglement ohnehin vorzüglich geregelt sei. Die Kritik des Petitionstextes an den moralischen und religiösen Missverhältnissen in der Armee sei sowohl unzutreffend wie zu Unrecht verallgemeinernd. Das Wehrsystem sowie die Truppenkörper könnten für etwaige religiöse bzw. moralische Defizite einzelner Soldaten nicht verantwortlich gemacht werden: In einem Volksheer mit entsprechend kurzer Dienstzeit könne man die entsprechende religiöse und moralische Erziehungsarbeit gar nicht leisten. „[D]ieses „Volksheer muss seine Elemente verfassungsmässig aus dem Volke holen und so übernehmen, wie sie eben sind.“ (3) Die Erziehungsarbeit müsste ja schon viel früher einsetzen, in Familie, Schule, Kirche. Weiters kritisiert Weissenrieder am Text der Petition, dass er die verfassungsmäßig garantierte Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht entsprechend ernst nehme, nach der niemand zu einem religiösen Unterricht oder zur Vornahme einer religiösen Handlung gezwungen werden oder im Fall der Nichtteilnahme bestraft werden darf.

In weiterer Folge geht Weissenrieder auf zwei interessante Debatten zur Legitimität der Militärseelsorge ein:
Der bedeutende Literaturhistoriker Walter Muschg hatte in einem Buch über den Dichter Jeremias Gotthelf, der selbst Feldprediger war, in Bezug auf das Feldpredigeramt von einer „vollkommenen Prostitution des Geistlichen“ gesprochen. Scharfe Entgegnungen von verschiedener Seite waren die Folge, Muschg sah sich zur ausdrücklichen Zurücknahme der Äußerung veranlasst, ohne allerdings in der Folge auf weitere polemische Äußerungen zu verzichten.
Von anderer Seite hatte F. Bubendey, der ehemalige Presseoffizier der deutschen Obersten Heeresleitung, im „Reichswart“ „artfremde Feldgottesdienste“ (18) angeprangert. Christengott und Christenkirche seien bewusst „rassenfeindlich, antivölkisch und international gesonnen“ (18), der christliche Gottesdienst könne „für einen deutschbewussten, deutschgeborenen und deutschblütigen Frontkämpfer […] keinerlei inneres, seelisches Fronterlebnis sein“. (19)
Der Katholik Weissenrieder, der beiden Positionen scharf ablehnend gegenübersteht, sieht in der „bestmöglichen Hebung und Förderung der Moral“ (19) einen notwendigen Beitrag zur Förderung der Armee. Ausführlich lässt er Kurt Hesse, einen ehemaligen Offizier, zu Wort kommen, der das Soldatentum im Sittlichen begründet sieht. Der entsprechende Ehrenkodex steht allerdings nicht mehr „in einem Widerspruch zu dem Rechts- und Verfassungsgedanken des neuzeitlichen Staates“, „der in seinen letzten Tiefen auf der Grundlage des Individuums ruht“ (17), wie Hesse im Rückgriff auf eine Formulierung K. Demeters festhält.
Weissenrieder misst auch der Religion, dem Vertrauen auf Gott, der in der Schweizerischen Bundesverfassung noch gleichsam „an der Front des Gebäudes“ formelhaft erwähnt wird, für Politik und militärischen Dienst nach wie vor eine wichtige Bedeutung bei: Die Entscheidungen sollen vernunftgeleitet sein, allerdings „unter Wahrung des festen Glaubens, dass Gott es ist, der Segen und Sieg verleiht“ (20).

F. X. Weissenrieder: Armee, Sonntagsheiligung und Militärseelsorge, Sonderabdruck aus der Monatsschrift des Schweizerischen Studentenvereins 6/7(1935), 20 Seiten, Sprache: Deutsch
MBBA Buchnummer: 22386

MBBA