Schon im antiken Athen sei „das ordnungsstiftende Potential des Konflikts erkannt“ worden (beides 30); Konflikte haben auch das Leben die Entwicklung der frühchristlichen Gemeinde entscheidend geprägt (34). In der Friedensethik hat sich die Einschätzung der Rolle von Konflikten gewandelt: Während sich etwa Augustinus von Hippo und Thomas von Aquin die „Konflikthaftigkeit menschlichen Miteinanders“ (51) eher negativ sehen und vor allem die Notwendigkeit ihrer Überwindung betonen, bringt der Konflikt aus Sicht neuzeitlicher Philosophen wie Kant, Hegel oder Smith selbst Ordnung und Fortschritt hervor, es gilt also vor allem seine positiven Effekte zu nutzen.
Damit Konflikte ihr positives Potential entfalten können, bedarf es freilich eines ethisch angemessenen Umgangs mit Konflikten, es geht darum, möglichst gewaltfreie bzw. gewaltarme Wege der Konfliktbearbeitung zu finden. Nach der päpstlichen Enzyklika Evangelii Gaudium (2013) sei das zunächst das Aushalten bzw. Erleiden des Konflikts, seine Überschreitung auf eine höhere Ebene (die Würde des Menschen), in eine Einheit, die die positiven Möglichkeiten und „die Polaritäten des Streits“ bewahrt (57; zitiert EG 228).
Das gilt in besonderer Weise auch für die konkretem Möglichkeiten konstruktiven Konfliktaustrags auf regionaler wie internationaler Ebene (z. B. EU, UN, internationale Gerichtsbarkeit).
Besonders spannend sind im Anschluss daran die konkreten Fragen einer Ethik des Soldaten:
Dass Soldaten sich an militärischen Einsätzen beteiligen dürfen, sei in der friedensethischen Tradition unzweifelhaft gewesen, sofern die Einsätze und die Art, wie sie geführt werden, sittlich erlaubt sind (84). Diese Frage nach der Erlaubtheit militärischer Einsätze sei heute allerdings besonders schwierig zu beantworten, weil nicht nur die konkrete Anwendung der ethischen Kriterien in einem zunehmend komplexeren Umfeld eine wachsende Herausforderung darstellt, sondern auch die Geltung dieser Kriterien vielfach nicht feststeht, ein demokratischer Konsens dazu oft nicht vorliegt. Der Soldat müsse „also unter großen Unsicherheiten und oft in einem in ethischer Hinsicht nur grob vermessenen Feld“ (98) agieren. Dies erzeuge einen Konfliktdruck, den es positiv anzunehmen gelte.
Von zentraler Bedeutung ist dabei das Gewissen, die verborgenste Mitte des Menschen und aus Sicht religiöser Menschen auch Ort der Gottesbegegnung.
Die Evangelische und die Katholische Militärseelsorge in Deutschland setzen sich v.a. im Rahmen des berufsethischen und des Lebenskundlichen Unterrichts für Gewissensbildung und für das Recht auf Gewissensfreiheit ein (99). Letztere genieße in Deutschland auch staatlicherseits besondere Schutz: Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hält fest, dass Soldaten der Bundeswehr bei Befehlsverweigerung aus Gewissensgründen nicht entlassen oder beruflich schlechter gestellt werden dürfen (102f). Abschließend lädt Overbeck zu einem breiten gesellschaftlichen Diskussionsprozess über Fragen der Friedensethik ein.
Franz-Josef Overbeck: Konstruktive Konfliktkultur: Friedensethische Standortbestimmung des Katholischen Militärbischofs für die Deutsche Bundeswehr, Freiburg u.a. 2019, 109 Seiten, Sprache: Deutsch
Buchnummer MBBA: 14445