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Trittchen Trittchen

Der deutsche Schriftsteller Carl Busse schildert in „Trittchen. Aus den Aufzeichnungen eines Verwundeten“ mit großer Sensibilität einerseits die Entfremdung eines Verwundeten im Lazarett von seinem früheren Leben und der Welt, wie er sie bisher gekannt hat, andererseits die sehr zurückhaltende ‚militärseelsorgliche‘ Aktivität eines einfachen Soldaten und Schusters im Zivilberuf.

Der hat „aus irgendeinem Grunde“ (5) den Spitznamen Trittchen bekommen, liest zwischen den Kämpfen an der Front immer nur kurz, aber regelmäßig in seiner Bibel und vermag auch sonst durch sein Verhalten die Kameraden nach anfänglichen Hänseleien zunehmend zu beeindrucken: So verlässt er etwa den Schützengraben, um eine wegen ihrer prallen Euter vor Schmerz brüllenden Kuh zu melken, trotz der enormen Gefahr scheint er voller Zuversicht, dass ihm nichts passieren werde. Als er beim ersten Kanonendonner, den die Soldaten an der Front zu hören bekommen, mehr zu sich als zu den anderen sagt: „Das ist Gottes Wunderwagen, der durch die Welt rumpelt!“ (5), fühlt sich der Icherzähler gar an Jakob Böhme und die deutschen Mystiker erinnert. Er selbst, der Goethes „Faust“ im Fronteinsatz mit sich herumträgt, beginnt sich wie viele seiner Kollegen immer häufiger Trittchens Bibel auszuborgen. Je tiefer er in die Realität der Kämpfe und des Lebens an der Front eintaucht, desto weniger kann er mit seinem Faust anfangen und desto mehr wird er von den biblischen Texten angezogen, die ihn Atem holen und irgendwie satt werden lassen.
Besonders beeindruckt ihn der Gedanke Trittchens, dass Gott immer in Masken geht und dabei „wie ein König, damit er unerkannt prüfen kann, immer die schlechteste Maske wählen wird und nicht die schönste, die ihm gebührt“. (11f) Später bezieht er das auf die einfachen Menschen, Arbeiter und Bauern, das „Volk der Tiefe“ (15), zu denen der unscheinbare Schuster selbst gehört hat. Die alte Bibel, die dieser ihm kurz vor seinem Tod geschenkt hat, hält er in Ehren, auch wenn es im weiteren Verlauf des Krieges keinen Mangel an Bibeln mehr gibt, „eine Bibelgesellschaft ließ ungezählte Tausende an die Front schaffen.“ (14)
Das vorliegende Heft enthält zwar kein Erscheinungsdatum, der Text wurde jedenfalls bereits 1915, also in einem recht frühen Stadium des Krieges, anderweitig veröffentlicht: Er findet sich in der Februarausgabe der Monatsblätter für den evangelischen Religionsunterricht, Jahrgang 1915, 56-61. Er wurde von der Redaktion offenbar ausgewählt, weil er charakteristisch sei „für die durch den Krieg gezeitigte religiöse Erweckung“ und „vorzüglich dazu geeignet, etwa im R.U. als Beispiel der Erhebung des Volkes in Waffen, der Macht der Religion im Kriege oder überhaupt zur Anregung und Förderung, ohne jeden besonderen apologetischen Zweck, vorgelesen zu werden.“ (Ebd. 56, Fußnote 1). Entnommen sei der Text nach einer Angabe in derselben Fußnote „dem von Carl Busse herausgegebenen Bändchen ‚Feuergeist‘“ (56, Fußnote 1). Allerdings ist dem Verfasser der Fußnote offenbar ein Fehler unterlaufen, die Publikation heißt in Wirklichkeit „Feuerschein: Novellen und Skizzen aus dem Weltkrieg“. Sie ist ebenfalls 1915 und auch bei Eugen Salzer in Heilbronn erschienen und enthält unter dem letzten Eintrag des Inhaltsverzeichnisses („Carl Busse, Trittchen“) den Vermerk „Zuerst erschienen in der Münchener Jugend.“
Carl Busse wurde 1872 in Lindenstadt geboren und trat vor allem als Literaturkritiker, Mitherausgeber des Deutschen Wochenblatts und Verfasser von Prosa und Gedichten in Erscheinung, von denen einige von bedeutenden Komponisten wie Max Reger vertont wurden. Er nahm ab 1916 als Landsturmmann am Ersten Weltkrieg teil und starb 1918 an der Spanischen Grippe.
Carl Busse: Trittchen. Aus den Aufzeichnungen eines Verwundeten, Heilbronn, 16 Seiten, Sprache: Deutsch
Buchnummer: MBBA 12602

MBBA