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Katholische Soldaten im Zweiten Weltkrieg: „Der Weg des Soldaten Johannes“

Der Weg des Soldaten Johannes Der Weg des Soldaten Johannes

Die Broschüre versammelt Auszüge aus den „Briefen und Tagebuchblättern“ des Wehrmachtssoldaten Johannes Niermann, der am 18. Juni 1940 in Frankreich bei Kämpfen an der oberen Aisne gefallen ist. Es wurde nach seinem Tod in Düsseldorf als Manuskript gedruckt und geheftet. Erscheinungsjahr und Seitenzahlen fehlen. Auf der Vorderseite des schwarzen Umschlag ist ein Schwert in Kreuzform aus weißem Papier aufgeklebt, auf dem Blatt vor dem Titelblatt ein Foto Niermanns aus Familienbesitz. 

Durchsetzt sind die chronologisch angeordneten Texte Niermanns von Berichten vor allem eines „Kameraden A.“, aus denen wir von Verlegungen der Einheit erfahren, von Niermanns Akzeptanz in der Kompanie sowie bei den Offizieren, einigen Details vom Kampfgeschehen und schließlich von seinem Tod durch „Maschinengewehrschuss des Feindes“ sowie der schlichten Beerdigung. Am Ende steht ein mit „Familie Niermann und die Freunde!“ unterzeichneter Text über seinen Tod mit Ankündigung der Seelenmesse am 6. Juli 1940, ein Gebet sowie schließlich der Bibelvers Off. 3,21.

Die Broschüre versammelt Auszüge aus den „Briefen und Tagebuchblättern“ des Wehrmachtssoldaten Johannes Niermann, der am 18. Juni 1940 in Frankreich bei Kämpfen an der oberen Aisne gefallen ist. Es wurde nach seinem Tod in Düsseldorf als Manuskript gedruckt und geheftet. Erscheinungsjahr und Seitenzahlen fehlen. Auf der Vorderseite des schwarzen Umschlag ist ein Schwert in Kreuzform aus weißem Papier aufgeklebt, auf dem Blatt vor dem Titelblatt ein Foto Niermanns aus Familienbesitz. Durchsetzt sind die chronologisch angeordneten Texte Niermanns von Berichten vor allem eines „Kameraden A.“, aus denen wir von Verlegungen der Einheit erfahren, von Niermanns Akzeptanz in der Kompanie sowie bei den Offizieren, einigen Details vom Kampfgeschehen und schließlich von seinem Tod durch „Maschinengewehrschuss des Feindes“ sowie der schlichten Beerdigung. Am Ende steht ein mit „Familie Niermann und die Freunde!“ unterzeichneter Text über seinen Tod mit Ankündigung der Seelenmesse am 6. Juli 1940, ein Gebet sowie schließlich der Bibelvers Off. 3,21.
Neben Hinweisen auf das Erleben des militärischen Alltags während Ausbildung und Fronteinsatz enthält der Band zahlreiche Reflexionen einerseits über Niermanns Glauben und religiöse Überzeugung sowie über seinen Dienst als Soldat, den er klar bejaht: „Ich möchte nirgendwo anders stehen als im Heer, unter der kämpfenden Mannschaft unseres Volkes.“ (11. 2. 1940) Die Texte zeigen ihn als jemand, der auch in Bezug auf den Kampf von jugendlichem Idealismus, sogar Freude erfüllt ist, er konnte offenbar den Beginn der Kämpfe kaum erwarten. Als es dann endlich losgeht, packt ihn „eine wilde Lust des Kampfes“ (Tagebuch, 8. 6. 1940). An seinem Todestag sei er „voll Freude, nun endlich aktiv mit seinem MG ins Gefecht zu kommen“ gewesen und habe geschossen, „was an Munition vorhanden“ war. Vorher hätten sie noch „gelacht und uns gefreut über das Weichen des Feindes.“ Im Tod habe Niermann gelächelt. (Bericht des Kameraden A. über den Tod von H. N.)
Trotz mancher terminologischer und ideologischer Schnittmengen ist freilich nicht von einer Nähe zu politischen Positionen des Nationalsozialismus auszugehen: Niermann kommt vielmehr aus der von der Jugendbewegung geprägten katholischen Verbandsarbeit. Er wurde am 10. August 1913 in Recklinghausen geboren, besuchte Volks- und Berufsschule und arbeitete anschließend als Weber. 1934 wurde er hauptamtlicher Diözesanführer der Sturmschar, die zum Katholischen Jungmännerverband Deutschlands gehört.(1) Bereits 1935 wählte man ihn während einer Romwallfahrt zum zweiten und letzten Reichsführer der Sturmschar.(2) In dieser Funktion war er in ganz Deutschland unterwegs und als Redner sehr geschätzt. Zu dieser Zeit nahmen die staatlichen Repressionen zu: Am 6. Februar 1936 wurde er mit 56 weiteren Personen, hauptsächlich Sturmschärlern, verhaftet und erst im November 1936 freigelassen, 1937 freigesprochen.(3)
Auf diesem Hintergrund ist nicht überraschend, dass der ausgezeichnet vernetzte Niermann in der Kompanie dafür bekannt war, die meisten Briefe zu erhalten, „einmal 25 Postsachen an einem Tag“ (Bericht von Kamerad A.). In einem Brief beklagt er sich fast darüber: „Die Post liegt in dicken Stössen. Die Zeit zu antworten ist knapp und die Knochen oft müde.“ (10. 1. 1940)
Die affirmative Einstellung Niermanns zum Krieg während der NS-Zeit war für Soldaten mit katholischem Hintergrund durchaus nicht untypisch: Nach Heinrich Walle, der seine Einführung in die Publikation „Aus Feldpostbriefen junger Christen 1939-1945“ mit einem langen Zitat aus der hier besprochenen Schrift beginnt, lassen sich im Anschluss an einen Aufsatz des Jesuiten Alfred Delp aus den Stimmen der Zeit von 1940 folgende häufig anzutreffende Momente der Wehrmotivation katholischer Soldaten festhalten(4): „Der Krieg wird als unentrinnbare Tatsächlichkeit begriffen, dessen Entstehung die Soldaten nicht zu verantworten haben.“ Ziel des modernen Kriegs „ist die Vernichtung der Substanz des Volkes“, der Dienst in der Wehrmacht dient deshalb vor allem der „Verhinderung von Schaden am eigenen Volk“ (und nicht etwa der Eroberung des Raums für das germanische Herrenvolk – dieser Topos fehlt auch bei Niermann). Die Zuordnung zum eigenen Volk/Vaterland über die Familie steht in Einklang mit der göttlichen Schöpfungsordnung, wobei das Volk nicht als Masse, sondern als Gemeinschaft von sittlich verantwortlichen Individuen begriffen wird und Volk und (nationalsozialistischer) Staat gerade nicht zusammengesehen werden. Und schließlich: Quelle für die Opferbereitschaft katholischer Soldaten ist nicht der Glaube an den Führer, sondern ihr religiöser Glaube.
So kommt auch im „Weg des Soldaten Johannes“ an vielen Stellen zum Ausdruck, dass Gott und Glaube für Niermann die höheren und wichtigeren Bezugspunkte sind: „Mein Leben kann nur eine Aufgabe haben. Diese Aufgabe heisst, Christus zu künden!“ (15. 4. 1940) Für ihn ist das Soldatentum Gleichnis „für ein anderes Soldatentum, die militia Christi“ (Neujahr 1940, vgl. 8. 4. 1940) oder Prüfung und Vorbereitung (24. 5. 1940), näherhin gemäß seinen Zukunftsplänen auf das Priestertum (15. 4. 1940). Bei aller Freude am Soldatendienst bringt er die Hoffnung auf das Leben danach zum Ausdruck, das ganz diesem ‚anderen Soldatentum‘ gewidmet wäre: „Gewiss, es brennt die Sehnsucht zu anderen Werken und zu einem anderen Leben.“ (21. 1. 1940) Negative Aspekte des Kriegs werden nicht völlig ausgeblendet: die furchtbaren Zerstörungen (7. 6. 1940), die Erschütterung über die Kämpfe an der Front (An seinem Todestag, 18. 6. 1940) die Verluste auch auf der Gegenseite (Tagebuch, 30. 5. 1940). Niermann nimmt auch die Enttäuschung eines belgischen Bauern über die Kapitulation seines Landes wahr (Tagebuch, 30. 5. 1940). Während der Vorbereitungszeit beklagt er, dass das Christentum unter den Soldaten so gut wie ausgelöscht sei (Aus den Briefen in den Weihnachtstagen [1939]), sieht aber auch „edle Kräfte und Eigenschaften“, die durch diesen Dienst wachsen (25. 5. 1940). Der Krieg bringt die Gefahr mit sich, vom eigentlichen Kampf, wichtigeren Entscheidungen abzulenken (9. 5. 1940).

Besonders eindrucksvoll sind im „Weg des Soldaten Johannes“ jene Stellen, in denen er in leisen und poetischen Bildern von der Schönheit der Natur und des Lebens schreibt – teils wohl in wehmütiger Erinnerung an die Erfahrungen von Schönheit und Geborgenheit während der Fahrten und Wanderungen aus Sturmscharzeiten. In einem Text vom 10. 1. 1940 heißt es: „Für mich sind die Wege der Fahrten zu Ende und die große Straße ist offen für den Marschtritt der Infanterie. Aber es ist gut, daß auf den Märschen noch die Bilder lebendig sind, Bilder von Flüssen und Bergen, von Nächten im Sommer und Stunden am Feuer.“

Sehr berührend sind angesichts seines nahen Todes auch jene Stellen, in denen eine jugendliche Hoffnung zum Ausdruck kommt allen ihm klar bewussten Widrigkeiten zum Trotz: „….Alle Weichen menschlichen Lebens sind mir plötzlich anders gestellt worden. Es ist gut, dass der Glaube da ist. Es ist gut, dass wir jung sind und alles voller Hoffnung ist.“ (Neujahr 1940) Die Zukunft, die dieser jugendlichen Hoffnung entspräche, erfährt er freilich als ungewiss und dunkel: „Meine Zukunft ist dunkel, wie die Nacht ohne Sterne.“ (3. 3. 1940). Er fragt sich in Erwartung eines erhofften baldigen Einsatzes, zwar ohne Angst: „Und wenn dieser Einsatz der letzte wäre?“ (6. 3. 1940), hat aber doch an der heimlichen Angst Anteil, „das Leben möchte an uns vorübergehen, möchte von uns nichts anderes wollen, als unsere Bereitschaft, Same zu sein für ein kommendes Geschlecht und Reich.“ (2. 4. 1940)

Von der Entstehung der Schrift „Der Weg des Soldaten Johannes“ berichtet Walter Vorderwülbecke, selbst seit 1936 Diözesanführer der Sturmschar in der Erzdiözese Paderborn, dass der Präses des Katholischen Jungmännerverbandes Deutschland, Prälat Ludwig Wolker, ursprünglich nur ein vierseitiges Erinnerungsblatt erstellen wollte, sich dann aber für eine erweiterte Version entschieden hat. Der als Zusammensteller genannte Michael Brink hat möglicherweise nur seinen Namen hergegeben. Die Familie sorgte für die Verbreitung.(5) Wilhelm Damberg hat im Vergleich mit Originalbriefen gezeigt, dass Wolker die Texte auch stilistisch überarbeitet hat.(6) Zudem muss bei der Lektüre eine Zurückhaltung des Verfassers aufgrund der umfassenden Zensur immer mitbedacht werden, der etwa auch die Feldpostbriefe während des Zweiten Weltkriegs unterlagen.

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(1) Walter Vorderwülbecke, Hans Niermann, in: Sie hielten stand. Sturmschar im Katholischen Jungmännerverband Deutschlands, Düsseldorf 1989, S. 185-203, h. S. 188.
(2) Vorderwülbecke, Hans Niermann, S. 190.
(3) Vorderwülbecke, Hans Niermann, S. 190-193.
(4) Heinrich Walle, Zur Einführung, in: Karl-Theodor Schleicher/Heinrich Walle (Hg.): Aus Feldpostbriefen junger Christen 1939-1945. Ein Beitrag zur Geschichte der Katholischen Jugend im Felde, Stuttgart 2005, S. 53f.
(5) Vorderwülbecke, Hans Niermann, S. 199.
(6) Wilhelm Damberg: Kriegserfahrung und Kriegstheologie 1939-1945, in: Theologische Quartalsschrift 4(2002), S. 321-341.

  

Der Weg des Soldaten Johannes +. Aus seinen Briefen und Tagebuchblättern. Aus Tagebuchblättern und Briefen zusammengestellt von Michael Brink, Sprache: Deutsch
Buchnummer: MBBA 12840

MBBA