Dass in einem derartigen Bericht mitten im Krieg keinerlei kritische Töne zugelassen werden und der Schilderung negativer Folgen der Kriegshandlungen praktisch kein Raum gegeben wird, verwundert nicht. Dass die tiefe Freude der Beteiligten über den Besuch des Kardinals, die immer wieder zu Herzen gehenden Worte und die historische Bedeutung vieler Begegnungen (vor allem jener mit Kaiser Wilhelm II.) über die gesamte Länge des Berichts mit scheinbar unerschöpflichem Pathos geschildert werden, ist aber durchaus bemerkenswert: „Ein geistlicher Triumphzug war des Kardinals Fahrt, ein historisches Ereignis, welches das Andenken an die großen Männer großer Vergangenheit lebendig macht.“ (3)
Sehr selten taucht ein feiner Riss im Jubelcharakter des Berichts auf, etwa wenn ein Kriegsberichterstatter mit der Aussage zitiert wird, dass sich bei der hohen Kirchenfeier mit dem Kardinal anlässlich des Militärseelsorgertreffens im französischen Laon die dortige Bevölkerung völlig fernhielt – ganz anders als in der viel kleineren ebenfalls französischen Gemeinde Anizy-le-Château (25).
Bei der Schilderung der zahlreichen Treffen mit Vertretern des Militärs und als Höhepunkt mit dem deutschen Kaiser liegt der Fokus vor allem darin, das gute Einvernehmen mit und die Loyalität gegenüber den staatlichen Autoritäten während des Krieges mit großer Emphase hervorzustreichen: Obwohl das an vielen Stellen fast nach Unterordnung klingt, etwa wenn er in einer Ansprache als „Dolmetsch“ der katholischen Soldaten „das Gelöbnis unentwegter Treue bis zum Tode“ (49) in die Hände des Kaisers niederzulegen angibt, müssen dabei aber auch die feineren Striche beachtet werden, mit denen das Verhältnis zwischen Kardinal und Kaiser gezeichnet wird: wenn der Schwur, den der Autor den Kardinal dem Kaiser bildlich zu Füßen legen lässt, Rütlischwur genannt wird (4), oder wenn das leuchtende Scharlachrot der liturgischen Gewandung des Kardinals während eines katholischen Hochamts in Gegenwart des Kaisers als Brennpunkt des Farbenstroms bezeichnet und zudem bemerkt wird, dass der Kaiser dabei stehend „dem Dienst der heiligen Kirche“ Ehrerbietung zollt, der er zwar nicht angehört, der er aber „ein Schirmherr ist“ (44).
Die Situation der Soldaten an der Front, denen der Besuch ja eigentlich gilt, kommt nur am Rande und sehr allgemein zur Sprache, zum Beispiel wenn der Kardinal bei einem Lazarettbesuch auch zu den Schwerkranken geht, oder wenn von Opfern gesprochen wird, rauen Händen, übermenschlichen Anstrengungen bzw. außerordentliche Gefahren. Immer wieder wird dagegen auch dem Kardinal gedankt für die großen Mühen, die er mit diesem Besuch auf sich genommen hat.
Den Schwerpunkten des Berichts trägt auch die Bildauswahl Rechnung: Sie zeigen vor allem architektonisch sehr bemerkenswerte (und bis auf eine Ausnahme unzerstörte) Kirchen in den besetzten Gebieten, den Kardinal mit Begleitern in Bewegung, bei Treffen mit hohen Offizieren, selten bei der Zelebration oder bei einem Besuch im Lazarett. Einige Gruppenbilder mit oder ohne Bischof wurden ebenfalls in den Band aufgenommen.
Noch vor Kriegsende wechselt Arnold Middendorf auf die Position des Dompropsts in Köln und wird später noch Offizial des Erzbistums. Ludwig Friedrich Karl Berg lehnt nach dem Krieg die Einladung ab, Feldgeistlicher eines Freikorps zu werden, die angestrebte Domherrenstelle in Köln bekommt er nicht, er geht zunächst wieder in den Schuldienst, arbeitet 1924-1927 als Seelsorger für russische Emigranten und dann viele Jahre als gefragter Vortragender in verschiedenen Ländern vor allem über Bolschewismus und Sowjetunion. Kardinal von Hartmann stirbt 1919 an einer Lungenentzündung.
Ein Kirchenfürst im Felde. Seine Eminenz Felix Kardinal v. Hartmann, Erzbischof von Cöln, an der Westfront vom 6. bis 14. April 1916. Bericht im Auftrage des Feldoberpfarrers des Westheeres Dr. Middendorf zusammengestellt von dem katholischen Feldgeistlichen des Großen Hauptquartiers Prof. Dr. Berg, Cöln, 54 Seiten, Sprache: Deutsch
Buchnummer: MBBA 14483