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Geschichte der Militärseelsorge: „Handbuch für die k.u.k. katholische Militärgeistlichkeit“

Handbuch der k.u.k. katholischen Militärseelsorge Handbuch der k.u.k. katholischen Militärseelsorge

Das 1905 aufgelegte und vom späteren apostolischen Feldvikar Emmerich Bjelik verfasste „Handbuch für die k.u.k. katholische Militärgeistlichkeit“ ist eine in alphabetischer Ordnung abgefasste lexikonartige Publikation, die Einträge zu kirchenrechtlichen Vorschriften, zu Dienst und Verwaltung im Heer u. dergl., versammelt.

Bjelik sah die seit 1842 in Gebrauch befindliche, von Feldvikar Johann Michael Leonhard herausgegebene „Verfassung der Militärseelsorge“ in vielen Bereichen durch neue Regelungen überholt und den Bedarf für ein Handbuch gegeben, das den „Militärgeistlichen die bei Durchführung seiner schwierigen Agenden nötigen Aufschlüsse geben“ sollte (Vorwort, ohne Pagina). Dementsprechend ist sein Handbuch auch mit einem umfangreichen Anhang mit Mustertexten und Formularvordrucken versehen (395-522), die dem Leser auf eine spezielle Art Einblicke in die Geschichte der katholischen Kirche ermöglichen, so z.B. ein Hauptgeräteinventar für eine Militärkirche bzw. -kapelle, in dem die entsprechenden Gegenstände namentlich aufgeführt sind (so z.B. Paramente wie der Monstranzenschleier, aber auch profane Einrichtungsstücke wie ein Spucknapf) (440).
Der Leser kann sich wie bei einem Panoptikum mittels dieses Handbuchs durch die unterschiedlichen Aspekte des Dienstbetriebes der Militärgeistlichkeit blättern. So erfährt er im Eintrag zur Adjustierung der Militärgeistlichkeit nicht nur, dass Militärgeistliche zu dieser Zeit entsprechend dem Genfer Abkommen von 1864 durch das Tragen einer Sanitätsarmbinde als Nichtkämpfende kenntlich gemacht werden, sondern auch wann die unterschiedlichen Kleidungsstücke der Militärgeistlichkeit, wie Talar mit Hut oder Klerikalrock mit Feldkappe, getragen werden und wie diese beschaffen zu sein haben.
So findet sich dort auch die Anweisung, dass der Militärgeistliche im Falle des Gefechts sich zum Verbandsplatz zu begeben hat, ebenso wie eine Beschreibung, wie dieser gekennzeichnet ist (Signalfahnen bzw. Signallaternen). Auch darf bei den „Tröstungen der Religion“ (302) kein Unterschied zwischen Angehörigen der eigenen oder der feindlichen Armee gemacht werden.
Das Handbuch bietet auch Informationen zur Gliederung von Streitmacht und Behörden: So findet der an Verwaltungsgeschichte interessierte Leser neben Einträgen zur Gliederung von Heer und Marine sowie deren Rangklassen und Titulaturen auch Auflistungen der Abteilungen im Kriegsministerium sowie ihrer Aufgaben, der Divisions- und Brigadekommanden, aber auch der Kurialbehörden in Rom und dergleichen mehr.
Einträge wie zum Dienstverkehr im Heere, zum Disziplinarverhältnis der Militärgeistlichkeit, der Organisation der Militärgeistlichkeit, aber auch zu Gage und Gebühren im Felde wiederum bieten Einblicke in die soziale Eingliederung der Militärgeistlichen in Heer und Gesellschaft. Auch was der Militärgeistliche im Fall seiner Erkrankung zu tun habe oder aber auch was im Falle des Eintretens einer Geisteskrankheit mit dem betroffenen Militärgeistlichen zu geschehen habe, wird in eigenen Einträgen behandelt.
Dem konstatierten Mangel an einer ausreichenden Anzahl von Militärseelsorgern in der k.u.k. Armee aufgrund der vielen Garnisonen suchte man mit der Subsidiarseelsorge durch Zivilgeistliche zu begegnen. Ähnliches galt für die „Militärpersonen israelitischen Glaubens“ (297), denen in Friedenszeiten kein eigener Feldrabbiner zugeteilt war, sondern die vom Ortsrabbiner seelsorglich betreut wurden.
In diesem Zusammenhang werden drei Erwägungen vorgebracht, die den Zivilgeistlichen diese zusätzliche Aufgabe als sinnhaft näherbringen soll: Erstens seien die vom Wehrdienst befreiten Kleriker dafür dem höchsten Kriegsherrn, dem Vaterland und den Mitbürgern zum Dank und zur Sorge um die religiösen Bedürfnisse der Soldaten verpflichtet. Zweitens sei eine starke und wohldisziplinierte Armee Garant des Friedens und die tief in die Seele eingesenkte Religion wiederum die beste Bürgschaft für die militärischen Tugenden und die Pflege des religiös-sittlichen Lebens des Soldaten also ein patriotischer Dienst. Und drittens sei eine Militärseelsorge vor allem auch im Interesse der jeweiligen Ortsgeistlichkeit, wenn die Soldaten nach ihrer Dienstzeit also nicht glaubens- und sittenlos in die jeweiligen Gemeinden zurückkehrten und dadurch dort Schaden anrichteten. (347)
Weitere Einträge des Handbuchs betreffen den Jurisdiktionsbereich des Feldvikars sowie die Militärmatrikenführung in Friedens- wie in Kriegszeiten und die in der Militärseelsorge erlassenen speziellen Vorschriften zu Buße, Absolution, Eheangelegenheiten, Fastenordnung, die besonderen Regelungen zur Abhaltung von Gottesdiensten im Freien sowie die Regelungen, die den Mannschaften die Teilnahme an selbigen ermöglichen sollen und dergleichen mehr. Auch der Ablauf und die Beteiligung der Militärgeistlichkeit an der Eidleistung der Rekruten (bzw. die Eidleistung der Militärgeistlichen selbst) oder der Fahnenweihe sind im Handbuch im Detail geschildert: So wird z.B. dargelegt, in welcher Reihenfolge und von wem die Nägel zu Befestigung der vorher nach dem im Pontificale Romanum vorgeschriebenen Ritus geweihten Regimentsfahne eingeschlagen werden: „Der Geistliche schlägt in die Fahne drei Nägel zur Ehre Gottes, der Regimentskommandant einen im Namen seiner Majestät, einen im Namen des Korps(Militär)kommandanten und einen im Namen des Regiments ein, worauf die übrigen Stabs- und Oberoffiziere des Soldatenstandes je einen Nagel, dann die Unteroffiziere, Gefreiten und Infanteristen in der Reihenfolge der Kompagnien die übrigen Nägel einschlagen.“ (130)
So manchem Leser mag durch diese Einträge das Bild eines Militärgeistlichen entstehen, das mehr einem Offizier und Verwaltungsbeamten ähnelt als dem eines Priesters. Es finden sich jedoch auch wiederholt Passagen, die so eine Wahrnehmung klar konterkarieren und ein anders Bild vermitteln: so fordert der Eintrag „Verurteilte, zum Tode“ den Militärgeistlichen auf dem Verurteilten „mit großer Liebe und ausnehmender Klugheit“ beizustehen. Er soll sich ihrer ganz besonders annehmen, damit sie ihre verbliebene Lebenszeit „nützlich zu ihrem Heile verwenden“. Gegenüber dem verstockt Bleibenden soll der Militärgeistliche „alle Mittel der Liebe“ anwenden, „er bittet ihn, nötigenfalls selbst auf den Knien, um sein Herz zu erweichen“. (alle 381) In den Spitälern ist nicht nur der Krankenbesuch und die Sakramentenspendung seine Pflicht. Es ist gar „heilige Pflicht“ die Sterbenden „in den letzten Augenblicken ihres Lebens durch herzlichen Zuspruch zu stärken und zu ermutigen“. Er hat im Bedarfsfall „zu jeder Zeit, bei Tag oder Nacht am Krankenbett zu erscheinen“ und die „Tröstungen der Religion zu spenden.“ Auch hat er das Pflegepersonal zur „sanften, teilnehmenden, liebevollen und bereitwilligen Pflege der Kranken anzueifern“. (alle 228)
Dass die besonderen Lebensumstände der Soldaten eine „besondere geistliche Sorgfalt“ erfordern, wird auch in diesem Handbuch explizit ausgesprochen: „Die kritischeste Periode, die der Soldat während seiner Dienstzeit durchzumachen hat, sind die ersten Monate seiner Ausbildung. Trennung von seinen Angehörigen, neue und ungewohnte Lebensverhältnisse, Strenge und Disziplin und sonstige Umstände wirken oft sehr deprimierend auf den jungen Soldaten und führen ihn zuweilen bis zur Verzweiflung und zum Selbstmorde.“ (349)
Diese „ganz besondere Sorgfalt“ (311) für Rekruten wird auch in dem Eintrag zu den „Pflichten der Militärgeistlichen“ angeführt. Ein eigens für die religiöse Erziehung vorgesehener „Rekrutenunterricht“ soll jene über „ihre neuen Standespflichten mit Zugrundelegung der übernatürlichen Motive belehren“. Dabei soll dieser Unterricht weniger „katechetische Anleitung“ sein, sondern den Rekruten „in einer Art von geistlichen Übungen (Exerzitien)“ in „seine neuen Berufspflichten“ einführen. (321) Der Militärgeistliche soll dem Rekruten auch „in den schwierigen Stunden seiner Abrichtung“ beistehen und ihn „durch religiöse Motive zur Übung der militärischen Tugenden und zur Vermeidung verschiedener Laster“ anspornen. (321) Dafür benötige der Militärgeistliche vor allem die Erfahrung, die er in der seelsorglichen Tätigkeit als Priester gesammelt hat, sowie „ein mit den ihm anvertrauten Seelen aufrichtig fühlendes Herz“ (322).


Emmerich Bjelik, Handbuch für die k.u.k. katholische Militärgeistlichkeit, Wien 1905, im Selbstverlage des Apostolischen Feldvikariats, 531 Seiten, Sprache: Deutsch
Buchnummer MBBA: 3.172

MBBA